Architektenformularvertrag: uneingeschränktes Betretungsrecht für Photographien kann nicht vereinbart werden

Foto einer großen öffentlichen Bibliothek mit großem Atrium

Problemstellung

In Musterverträgen von Architekten findet sich häufig die Klausel „Der Auftragnehmer ist berechtigt – auch nach Beendigung dieses Vertrages -, das Bauwerk oder die bauliche Anlage in Abstimmung mit dem Auftraggeber zu betreten um fotografische oder sonstige Aufnahmen zu fertigen“.

In einem Fall, den der BGH gerade zu entscheiden hatte, wollte ein Architekt einige Zeit nach Abschluss des Bauvorhabens das Gebäude zur Anfertigung von Photographien betreten. Dies möchte der Eigentümer der Immobilie und Vertragspartner des Architekten nicht zulassen.

Der Architekt ist der Ansicht, ihm stehe aufgrund des Vertrags sowie gemäß § 25 Abs. 1 UrhG ein Anspruch auf Duldung des begehrten Betretens des Gebäudes zu, um Fotografien zu Demonstrationszwecken zu fertigen. Das Amtsgericht spricht dem Architekten ein einmaliges Betretungsrecht zu. Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch des Planers, worauf dieser den BGH anruft.

Entscheidung

Erfolglos! Der BGH verneint ein Betretungsrecht des Architekten (BGH, Urt. v. 29.04.2021 – I ZR 193/20). Die Vertragsklausel sei unwirksam. Nach dem Wortlaut dieser Klausel könne der Architekt die Innenräume beliebig oft betreten. Auch bestehe das Betretungsrecht unabhängig vom Zeitpunkt der Fertigstellung des Bauwerkes. Die Klausel berücksichtige auch nicht die Bedeutung der Interessen des Architekten. Der Bauherr könne letztendlich das Betreten nicht gänzlich verhindern, selbst wenn er im Einzelfall ganz erhebliche Interessen habe, die einem nur geringen Interesse des Architekten gegenüberstünden.

Der Bundesgerichtshof verneint auch eine Anwendbarkeit von § 25 Abs. 1 UrhG, wonach der Urheber verlangen kann, dass ihm Vervielfältigungsstücke seines Werkes zugängig gemacht werden, wenn dem berechtigten Interesse des Besitzers nicht entgegenstünden. Denn die Innenräume des betreffenden Gebäudes waren im konkreten Fall nicht urheberrechtlich geschützt.

Pläne eines Architekten können unter bestimmten Voraussetzungen Urheberschutz genießen. Ein Bauwerk stellt eine persönliche geistige Schöpfung dar, wenn es gestalterisch aus der Masse alltäglichen Bauschaffens herausragt.

Die bei einem Urheberrecht bestehenden Befugnisse des Architekten schränken den Bauherren, aber auch spätere Eigentümer der betroffenen Immobilie erheblich ein (und dies über 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers!).  Sogar bei einem Abriss eines urheberrechtlich geschützten Werkes hat eine umfassende Abwägung der Interessen des Urhebers und des Eigentümers des Werkes stattzufinden (wie sich auch beim Abbruch der Kunsthalle Mannheim im Zusammenhang mit dem so genannten „Mannheimer Loch“ gezeigt hat (vgl. dazu Beitrag zu BGH, Urt. vom 21.02.2019 – I ZR 98/17) ).

Praxishinweis

Für „normale“ Gebäude, die keinen Urheberschutz genießen, lässt sich in Formularverträgen ein uneingeschränktes Betretungsrecht für Planer nicht rechtsicher vereinbaren. Die entsprechende Vertragsklausel müsste also individuell ausgehandelt werden, was in der Praxis selten stattfindet. Ein anderer Weg ist, das Betretungsrecht vertraglich „ausgewogener“ unter Berücksichtigung der Interessen des Bauherrn zu gestalten. Letzter Notanker: Wenn auch die Innenräume eines Gebäudes eine derartige Gestaltungshöhe haben, dass sie urheberrechtlich geschützt sind, kann ein Betretungsrecht unter Umständen auf § 25 UrhG gestützt werden. Dieser Beitrag ist zuerst im ImmobilienReport Metropolregion Rhein-Neckar Ausgabe 149 erschienen.