Kunstwerk als Teil eines Bauwerks: Das „Mannheimer Loch“ schreibt Rechtsgeschichte!

Einen interessanten Fall hatte der Bundesgerichtshof Anfang 2019 zu entscheiden (Urteil vom 21.02.2019 – I ZR 98/17). Er spielt mitten in Mannheim: Die Klägerin – eine international tätige Künstlerin – hatte in der Kunsthalle Mannheim in einem Verbindungsbau (sogenannter Athene-Trakt) zwischen Billing-Bau und dem Mitzlaff-Bau eine Rauminstallation errichtet. Das Werk umfasste verschiedene Installationen auf allen sieben Ebenen des Athene-Trakts, die durch vertikal angeordnete kreisförmige Öffnungen in allen Geschossdecken vom Fundament bis zum Dach miteinander verbunden waren. Die Kunsthalle beschloss im Jahr 2012, den Mitzlaff-Bau abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen (den man mittlerweile schon bewundern kann). Im Zuge des Umbaus sollte das Werk vollständig entfernt werden. Im Laufe des Rechtsstreits wurde das Kunstwerk teilweise demontiert. Die Geschossdecken im Athene-Trakt wurden entfernt. Die Klägerin sah in der Entfernung Ihres Werks eine Verletzung ihres Urheberrechts und begehrte Unterlassung bzw. Wiederherstellung sowie hilfsweise Schadensersatz.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof gibt der Kunsthalle Recht: Die Entfernung des Kunstwerks sei berechtigt. Bei dieser Gelegenheit macht der BGH Ausführungen zur Reichweite des Urheberrechts, die in der juristischen Literatur als „Paukenschlag“ gerade für den Bereich des Architektenrechts angesehen werden. Nach § 14 UrhG kann der Urheber eines urheberrechtlich geschützten Werkes eine „Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werks“ verbieten, die geeignet ist, seine Interessen zu gefährden. Bisher ging die überwiegende Meinung davon aus, dass die vollständige Vernichtung eines Werkes zulässig ist, da § 14 UrhG lediglich das Interesse des Urhebers am Fortbestand des unverfälschten Werkes schütze, nicht aber sein Interesse an der Existenz des Werkes als solchen. Der BGH hat sich aber nun der Gegenauffassung angeschlossen, wonach die Vernichtung eines Werkes als schärfste Form der Beeinträchtigung im Sinne des Urheberrechts anzusehen sei.

Folge: Auch bei einer vollständigen Vernichtung hat also fortan eine Abwägung zwischen den Interessen des Eigentümers eines Werkes und den Interessen des Urhebers stattzufinden. Im konkreten Fall hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei Werken der Baukunst oder mit Bauwerken unlösbar verbundenen Kunstwerken die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstücks oder Gebäudes den Interessen des Urhebers (des Werkes) in der Regel vorgehen, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt.

Praxishinweis

Aus der Begründung des BGH ergibt sich, dass die Entscheidung nicht nur für Kunstwerke gilt, sondern auch für Bauwerke, die selbst Urheberschutz genießen. Nicht jedes Bauwerk hat aber Urheberschutz: Erforderlich ist ein „Werk der Baukunst“, also ein Bauwerk, das aus der Masse des alltäglichen Bauschaffens herausragt, weil es eine ausreichende schöpferische Individualität, eine künstlerische Qualität aufweist.

Im Architektenrecht kann das Entstehen eines Urheberrechts durch vertragliche Regelungen im Architektenvertrag nicht ausgeschlossen werden. Auch kann ein Architekt aufgrund zwingender gesetzlicher Bestimmungen sein Urheberrecht nicht vollständig auf den Bauherrn übertragen. Lediglich Nutzungsrechte können dem Auftraggeber sehr weitgehend eingeräumt werden.

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im ImmobilienReport Metropolregion Rhein-Neckar, Ausgabe 122