Grundsatzurteil: Bundesgerichtshof verschärft Anforderungen an wirksame Vereinbarungen einer Vertragsstrafe in Einheitspreisverträgen

Über Jahrzehnte schien es so, als habe der Bundesgerichtshof schon alles gesagt, was zur formularmäßigen Vereinbarung von Vertragsstrafen in allgemeinen Geschäftsbedingungen für Bauvertrage zu beachten ist. Umso überraschender und von grundsätzlicher Bedeutung ist nun die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.02.2024 (Az.: VII ZR 42/22).

Der Bundesgerichtshof hat für die formularmäßige Vereinbarung von Vertragsstrafen im Bauvertragsrecht im Fall von Einheitspreisverträgen entschieden, dass eine Anknüpfung der Höchstgrenze der Vertragsstrafe an die Netto-Auftragssumme den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt und damit unwirksam ist. Zentrales Argument ist, dass bei einem Einheitspreisvertrag die tatsächliche Abrechnungssumme wegen Reduzierung des Auftragsumfangs (insbesondere wegen der Ausführung geringerer Mengen) hinter der ursprünglichen Auftragssumme zurückbleiben könne.

Der Bundesgerichtshof weist zur Begründung darauf hin, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Vertragsstrafe auch die Interessen des Auftragnehmers berücksichtigt werden müssen. Dazu gehöre insbesondere, dass die für die Überschreitung eines Termins vereinbarte Vertragsstrafe unter Berücksichtigung ihrer Druck- und Kompensationsfunktion in einem angemessenen Verhältnis zum Werklohn stehe, den der Auftragnehmer durch seine Leistung verdient. Die Druckfunktion erlaube dabei zwar durchaus eine spürbare Vertragsstrafe, es sei aber darauf zu achten, dass sich die Vertragsstrafe in wirtschaftlich vernünftigen Grenzen halte. Gemessen daran sei eine Vertragsstrafe von über 5 % der Auftragssumme zu hoch. Der Auftragnehmer werde typischerweise durch den Verlust von mehr als 5 % seines Vergütungsanspruchs unangemessen belastet.

Wenn nun aber die endgültige, „objektiv richtige“ Abrechnungssumme in der Schlussrechnung hinter der ursprünglichen Auftragssumme zurückbleibe, trete eine solche Situation ein, die den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt.

Für die Praxis heißt das, dass Vertragsstrafenklauseln in Einheitspreisverträgen in einer Form angepasst werden müssen, die diesem Umstand Rechnung tragen.

Spannend ist auch die Frage, ob die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zudem auf Sicherheitsabreden übertragen werden muss. Sicherheitsabreden in Verträgen, insbesondere die für eine Vertragserfüllungssicherheit, knüpfen typischerweise ebenfalls an die Netto-Auftragssumme an. Denn zum Zeitpunkt der Stellung der Vertragserfüllungssicherheit gibt es typischerweise noch keine andere Anknüpfungsmöglichkeit. Gegebenenfalls sollte auch hier bei Einheitspreisverträgen eine Klarstellung erfolgen, um nicht eine Unwirksamkeit der gesamten Sicherheitsabrede zu riskieren.