Nach gut 20 Jahren wurde die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie durch die Warenkaufrichtlinie („WKRL“) ersetzt, die auf alle Verträge ab dem 01. Januar 2022 Anwendung findet. Die deutsche Umsetzung erfolgte durch das am 25. Juni 2021 verabschiedete „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ und damit kurz vor der am 01. Juli 2021 ablaufenden Frist. Ob sich durch die neue WKRL wirklich alles ändert, soll im Weiteren kurz zusammengefasst werden.
1. Allgemeines Kaufrecht
Die wohl weitreichendste Änderung hat der Sachmangelbegriff in § 434 BGB erfahren, weil eine Sache nur noch dann frei von Sachmängeln ist, wenn neben den subjektiven Anforderungen auch die objektiven Anforderungen sowie die Montageanforderungen erfüllt sind. Es handelt sich also um ein kumulatives Vorliegen der Voraussetzungen (sogenannter „Gleichlauf der Fehlerbegriffe“), so dass insbesondere der vormalige Vorrang der vereinbarten Beschaffenheit nicht mehr einschlägig ist. Doch was bedeutet diese Änderung in der Praxis?
a. Subjektive Anforderungen
Unter die subjektiven Anforderungen fällt (wenige überraschend) alles das, was die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, also die Beschaffenheitsvereinbarung selbst. Nach der neuen, nicht abschließenden Aufzählung in § 434 Abs. 2 BGB gehören dazu Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität sowie sonstige von den Parteien vereinbarte Merkmale. Die Begriffe Kompatibilität und Interoperabilität bezeichnen dabei die Fähigkeit der Waren, mit der Hardware und Software zu funktionieren. Kompatibilität bezieht sich dabei darauf, Waren derselben Art in aller Regel benutzt werden können, ohne dass die Waren, die Hardware oder die Software verändert werden müssen. Interoperabilität meint die Fähigkeit, mit einer anderen Hardware oder Software zu funktionieren als derjenigen, mit der Sachen derselben Art benutzt wird. Dies sollinsbesondere die Qualität von Produkten sicherstellen, die online verwendet werden, wie beispielsweise Smartphones, Smartwatches oder Smarthome-Geräte.
Zwar ist nun vorgeschrieben, dass auch die Übergabe des vereinbarten Zubehörs und den vereinbarten Anleitungen zu den subjektiven Anforderungen zählt. Allerdings ergibt sich hieraus dennoch keinerlei Änderung, weil dies wiederum erstmal explizit vereinbart werden muss.
b. Objektive Anforderungen
Außer im Fall einer wirksamen negativen Beschaffenheitsvereinbarung muss die Sache neben den subjektiven auch den objektiven Anforderungen entsprechen. Das bedeutet, dass es nach dem neuen Kaufrecht möglich ist, dass eine Ware, die sich für die von den Parteien vorausgesetzte Verwendung eignet, mangelhaft sein kann, wenn sie sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder nicht die übliche Beschaffenheit aufweist!
Unter die objektiven Anforderungen fallen die Eignung für die gewöhnliche Verwendung, die übliche Beschaffenheit sowie die Entsprechung eines vorherigen Musters bzw. einer Probe und das zu erwartende Zubehör. Wie bereits bei den subjektiven Anforderungen wird die übliche Beschaffenheit weiter ausdifferenziert, wobei insbesondere die Haltbarkeit heraussticht. Durch die WKRL soll aber keineswegs eine gesetzliche Haltbarkeitsgarantie begründet werden. Es wird lediglich eine Fähigkeit der Sache festgelegt, die zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs gegeben sein muss.
Abschließend ist erwähnenswert, dass Abweichungen in den gelieferten Mengen künftig im Rahmen der subjektiven bzw. objektiven Anforderungen berücksichtigt und damit nicht mehr den Aliudlieferungen gleichgestellt werden.
2. Verbrauchsgüterkauf
Die Änderungen im Verbrauchsgüterkauf sind im Vergleich zu denen des allgemeinen Kaufrechts deutlich umfassender. Eine der wichtigsten Änderungen betrifft § 442 BGB. Die Vorschrift des § 442 BGB ist generell nicht mehr auf Verbraucherverträge anwendbar, weil die WKRL den Haftungsausschluss in § 476 Abs. 1 S. 2 BGB eigenständig geregelt und diesen von weiteren Voraussetzungen als dem Vorliegen eines Mangels abhängig gemacht hat. Darüber hinaus wurde die Beweislastumkehr in § 477 BGB auf ein Jahr verdoppelt.
a. Negative Beschaffenheitsvereinbarungen
Nach wie vor bleibt es weiterhin möglich, eine Beschaffenheit dergestalt zu vereinbaren, dass die Sache nicht die gewöhnliche oder nach den objektiven Kriterien erwartbare Beschaffenheit aufweist, also beispielsweise der Verkauf als „nicht funktionsfähig“ oder „zum Ausschlachten“. Gegenüber Verbrauchern ist aber jetzt eine gesonderte Information und die ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers erforderlich. Insbesondere bisher ausreichende konkludente Vereinbarungen, vorangekreuzte Kästchen oder Bestimmungen in AGB sind nicht mehr ausreichend!
b. Aktualisierungsverpflichtung
Beim Kauf von Waren mit digitalen Elementen wird durch § 475 b Abs. 2 – 4 BGB eine weitergehende Aktualisierungsverpflichtung begründet, wenn diese durch den Unternehmer oder einen Dritten bereitgestellt wird (was vermutet wird).
Grundlage des Mangelbegriffs ist auch hier § 434 BGB, wie auch die Verweise in der Vorschrift deutlich machen. Die zusätzlichen Voraussetzungen sind dann in § 475 BGB geregelt, also insbesondere die Aktualisierungen. Außerhalb von vertraglichen Vereinbarungen ist eine Sache nach § 475 b Abs. 4 Nr. 1 BGB mangelhaft, wenn „dem Verbraucher während des Zeitraums, den er aufgrund der Art und des Zwecks der Ware und ihrer digitalen Elemente sowie unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrages erwarten kann, Aktualisierungen nicht bereitgestellt werden, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind.“
Wie lange der zu erwartende Zeitraum ist, wird sich anhand einer Gesamtschau bestimmen müssen, wobei jedoch Werbeaussagen, der Preis des Produkts und die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer von vergleichbaren Waren eine gewisse Rolle spielen dürften.
c. Absolute Unverhältnismäßigkeit
§ 475 Abs. 5 und 6 BGB wurden gestrichen, so dass dem Verkäufer auch im Verhältnis zu Verbrauchern ein Totalverweigerungsrecht zusteht. Nach altem Recht war es dem Verkäufer bei der absoluten Unverhältnismäßigkeit nur möglich, dem Verbraucher die gewählte Art der Nacherfüllung (Nachbesserung oder Nachlieferung) wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern. Eine Verweigerung beider Arten der Nacherfüllung war jedoch nicht möglich. Dies gilt nun nicht mehr.
d. Ablaufhemmung bzw. Verjährung
Zur Stärkung der Verbraucherrechte ist in § 475 e Abs. 3 BGB eine Ablaufhemmung für die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen vorgesehen. Diese gilt für einen Zeitraum von zwei Monaten, beginnend ab dem Zeitpunkt, in dem sich der Mangel gezeigt hat. Eine entsprechende Hemmung ist auch für den Fall der Nacherfüllung vorgesehen. Nach § 475 e Abs. 4 BGB ist die Verjährung ab dem Zeitpunkt für zwei Monate gehemmt, in dem der Verbraucher die zur Nacherfüllung überlassene Ware vom Unternehmer oder einem eingesetzten Dritten zurückerhalten hat.
3. Sonstiges Wissenswertes
a. Nacherfüllungsanspruch
Da in Deutschland nach dem EuGH-Urteil bereits eine Änderung hinsichtlich des Ersatzes für Ein- und Ausbaukosten umgesetzt worden war, sind die Auswirkungen in diesem Bereich gering. Um zu vermeiden, dass der Käufer auch dann Ersatz verlangen konnte, wenn er den Einbau in Kenntnis der Mangelhaftigkeit vorgenommen hatte, verwies § 439 Abs. 3 BGB vormals auf § 442 BGB und führte in solchen Fällen einen Haftungsausschluss herbei. Dieser Verweis ist nicht mehr notwendig (und wäre auch nicht mehr zulässig), weil der Gesetzestext jetzt selbst regelt, dass der Einbau erfolgt sein muss: „bevor der Mangel offenbart wurde.“
b. Lieferantenregress
Der selbstständige Regressanspruch des Verkäufers in § 445 a Abs. 1 BGB ist auch für den Fall einer unterlassenen Bereitstellung der Aktualisierung anwendbar, weil diese Verpflichtung nach den Gesetzesmaterialien nur wirksam durchgesetzt werden kann, wenn sie durch die Kette bis an den Hersteller weitergereicht werden kann. Problematisch ist an dieser Konstellation jedoch, dass zum einen der Lieferant in der Regel keinerlei Aktualisierungsverpflichtungen gegenüber dem Verbraucher hat und andererseits, dass lediglich eine Pflicht zum Ersatz von Aufwendungen besteht und nicht zur Aktualisierung selbst. Ob sich diese Situation durch eine teleologische Reduktion lösen lässt, wenn die fehlende Aktualisierung nicht dem Risikobereich des Lieferanten zuzuordnen ist, wird sich zeigen müssen.
Die vormalig in § 445 a Abs. 2 S. 2 BGB geregelte Ablaufhemmung von fünf Jahren nach Ablieferung der Sache vom Lieferanten an den Verkäufer wurde ersatzlos gestrichen!
c. Abgrenzung zum Kauf von digitalen Produkten
Neben der WKRL wurde zeitgleich auch die Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen (DIDRL) beschlossen, die zur Neueinführung des § 327 a – u BGB geführt hat. Kernstück der neuen Paragraphen ist insbesondere auch der Kauf von digitalen Inhalten, doch was ist jetzt der Unterscheid zu Waren mit digitalen Elementen?
Kurz gesagt beziehen sich die Waren mit digitalen Elementen auf solche bewegliche Sachen, die digitale Produkte mitenthalten, und zwar in einer Weise, dass die Sache ohne die digitalen Produkte ihre Funktion nicht erfüllen kann, also beispielsweise sprachgesteuerte Lautsprecher, Smart-TVs oder Smart-Watches, die nur mittels einer App auf dem Smartphone funktionieren. Im Gegensatz dazu sind digitale Produkte in digitaler Form erstellte und bereitgestellte Daten, also beispielsweise Video- und Audiodateien, Musikdateien und digitale Spiele.
Fazit
Im Großen und Ganzen sind die Auswirkungen zu bewältigen. Dies gilt insbesondere, weil die Rechtsprechung in Deutschland in vielen Punkten bereits vorher dem entsprach, was jetzt gesetzlich fixiert oder redaktionell berichtig worden ist. Es wird notwendig sein, zu lernen, wie man mit dem neuen Begriff des Sachmangels und den neuen Informations- und Aufklärungspflichten im Verbrauchsgüterkaufrecht umzugehen hat.