WhatsApp – Wenn der Chat dem Arbeitnehmer zum Verhängnis wird

Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber er […] soll ein verurteilter Vergewaltiger sein, […] ich werde jetzt ALLES unternehmen, dass wir BEIDE dort rauskommen.“

Eine gerade einmal zwei Tage bei ihrer Arbeitgeberin beschäftigte Arbeitnehmerin kontaktierte mit diesen Worten eine Kollegin über WhatsApp, um sie über Gerüchte, die der Arbeitnehmerin von Bekannten über einen anderen Mitarbeiter der Arbeitgeberin zu Ohren gekommen sind, ins Bild zu setzen. Bei dem betroffenen Mitarbeiter handelt es sich um den Vater des Geschäftsführers der Arbeitgeberin. Die Behauptung, dass dieser angeblich ein verurteilter Vergewaltiger sein soll, entspricht nicht den Tatsachen.

Die Kollegin brachte diesen Chatinhalt daraufhin zur Kenntnis der Arbeitgeberin, die eine fristlose Kündigung gegenüber der Arbeitnehmerin aussprach.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hatte die Frage zu klären, ob diese fristlose Kündigung wirksam war oder ob die zweiwöchige Probezeitkündigungsfrist hätte eingehalten werden müssen (Urt. v. 14.03.2019, 17 Sa 52/18). Die Arbeitnehmerin berief sich insbesondere darauf, wegen der Gerüchte Anlass zur Sorge gehabt zu haben und auf den Wahrheitsgehalt der Äußerungen ihrer Bekannten sowie auf die Vertraulichkeit der Kommunikation per WhatsApp mit der Kollegin vertraut zu haben.

Das LAG Baden-Württemberg hielt die fristlose Kündigung für wirksam.

Dabei betonte das LAG im Einklang mit der stetigen Rechtsprechung, dass es auf die strafrechtliche Bewertung der Tat nicht ankomme. Vielmehr sei zu prüfen, ob die Arbeitnehmerin mit der Begehung einer Straftat in schwerwiegender Weise ihre arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletze. So sei die Begehung von Ehrdelikten zulasten des Arbeitgebers oder zulasten eines Vorgesetzten grundsätzlich geeignet, einen Grund zur außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung – vorbehaltlich der Interessenabwägung im Einzelfall – zu bilden.

Das LAG sah durch das Verbreiten der objektiv unzutreffenden Behauptung, der Kollege sei ein verurteilter Vergewaltiger, den Tatbestand der üblen Nachrede im Sinne des Strafgesetzbuchs als erfüllt an. Da die üble Nachrede gerade nicht voraussetzt, dass der Täter Kenntnis von der Unwahrheit der ehrenrührigen Tatsache hat, konnte sich die Arbeitnehmerin nicht mit Erfolg auf ihr Vertrauen in den Wahrheitsgehalt der Gerüchte berufen. Das LAG betonte außerdem, dass die Sorge um das eigene Wohl und das Wohl einer Kollegin nicht das Verbreiten eines Gerüchts rechtfertige, denn das Verbreiten des Gerüchts sei nicht per se geeignet, die eigene Sicherheit oder auch nur das von ihr empfundene Sicherheitsgefühl zu verbessern.

Hervorgehoben hat das LAG auch den Umstand, dass es sich um eine äußerst gravierende Beschuldigung handele, die mit einer erheblichen Rufschädigung – ggf. auch im Außenverhältnis – verbunden sei. So könnten auch Kundenbeziehungen auf dem Spiel stehen. Die Behauptung sei zudem geeignet gewesen, die Position des Geschäftsführers zu untergraben, da sich das Gerücht auf dessen Vater bezogen habe. Eine solche Untergrabung der Position eines Vorgesetzten müsse die Arbeitgeberin nicht hinnehmen.

Fazit:

Es handelt sich insgesamt um eine arbeitgeberfreundliche Entscheidung, mit der sich die in der Rechtsprechung bestehende Tendenz zu „zero tolerance“ bei Straftaten des Arbeitnehmers mit Bezug zum Arbeitsverhältnis fortsetzt. Dennoch erstaunt die Entscheidung auch in einzelnen Punkten. So thematisiert das LAG Baden-Württemberg weder die Implikationen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmerin und des grundsätzlich hieraus folgenden Schutzes vertraulicher Kommunikation in der Privatsphäre, noch die Verwertbarkeit im Wege digitaler Messenger-Dienste getroffener Aussagen. Bemerkenswert ist auch, dass bereits die Diffamierung einer dem Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten nahestehenden Person zur Untergrabung der Vorgesetztenposition ausreichen soll.