Transaktionen in Schieflage: M&A in Zeiten des Coronavirus

Innerhalb weniger Wochen und Monate hat der Ausbruch des Coronavirus (SARS-CoV-2) bzw. der Erkrankung Covid-19 Menschen weltweit vor große Herausforderungen gestellt. Das private Leben des Einzelnen steht Kopf, Gesundheitssysteme und Regierungen eines jeden Landes müssen sich in der Krise bewähren und auch Unternehmen weltweit werden vor eine harte Probe gestellt. Die Bundesregierung kündigt finanzielle Unterstützung an, die Insolvenzantragspflicht soll im Einzelfall ausgesetzt werden, Steuererleichterungen wie Stundungen und Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen werden in Betracht gezogen. Dennoch müssen Unternehmen ihre Prognosen und Forecasts widerrufen und viele Betriebe stehen vor existentiellen Problemen. Inmitten der sich überschlagenden Meldungen über die Verbreitung des Virus und Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, müssen Unternehmen versuchen, einen kühlen Kopf zu bewahren und schwierige Entscheidungen treffen, um die Krise zu überstehen.

Weichenstellungen im Krisenmodus

Unternehmen stehen dabei vor einer Mammutaufgabe: Sie müssen nicht nur die akuten Herausforderungen der Krise bewältigen, sondern zeitgleich im Blick behalten, wie es nach dem Abklingen der Pandemie weitergehen kann und soll. Oftmals ist eine solche Prognose aber kaum möglich. Um das Überleben eines Betriebs zu gewährleisten sind vielmehr einschneidende Sofortmaßnahmen nötig und wie es weitergeht, ist kaum abschätzbar. Vielfach kann es erforderlich werden, auch geplante Transaktionen auf Eis zu legen, sei es, weil die eigene betriebswirtschaftliche Lage es erfordert oder aber das Target in die Krise geraten ist und ein Erwerb oder Verkauf das eigene Weiterbestehen gefährdet.

Rückzug bereits im Vorfeld einer Transaktion

Im Vorfeld einer Transaktion ist ein Rückzug oftmals noch unproblematisch möglich. Der Abbruch von Vertragsverhandlungen mag dem Vertragspartner bisweilen sogar entgegen kommen, so dass die Parteien einvernehmlich eine Suspendierung der Verhandlungen beschließen können. Das kann im Einzelfall aber auch anders sein. Dann gilt es vor dem Abbruch der Transaktion sicher zu prüfen, ob dieser folgenlos möglich ist. Ist ein Vorvertrag abgeschlossen, sind dessen Regelungen maßgeblich. Vielfach wird zwischen den Parteien jedoch kein Vorvertrag, sondern nur ein sog. Letter of Intent (LoI) vereinbart. Der LoI stellt zwar eine „unverbindliche Absichtserklärung“ dar. Die Unverbindlichkeit bezieht sich dabei jedoch regelmäßig nur auf den Abschluss der Transaktion. In Bezug auf den Informationsaustausch während der Vertragsverhandlungen und den Abbruch der Gespräche finden sich auch LoI häufig verbindliche Regelungen. So lassen sich im LoI gelegentlich Regelungen zu sog. Break-up fees finden, die einen Aufwendungs- oder Schadensersatz ermöglichen sollen, wenn sich eine Partei beispielsweise einseitig grundlos von den Vertragsverhandlungen löst oder deren Abbruch verschuldet. Ein Verschulden einer Partei dürfte dabei im Falle von Veränderungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie in aller Regel ausscheiden, dennoch sind die getroffenen Vereinbarungen sorgfältig zu prüfen. Ohne Vorvertrag, LoI oder andere Vereinbarung wird der Ersatz von Aufwendungen oder Schäden der Parteien nur im engen Ausnahmefall in Betracht kommen.

Material Adverse Changes

Ist der Vertragsschluss bereits vor der weltweiten Ausweitung des Coronavirus erfolgt und wird nun festgestellt, dass sich die Geschäftslage des Targets im Zuge der Pandemie stark verschlechtert, sollte der Vertrag auf mögliche MAC-Klauseln überprüft werden. Derartige „Material Adverse Change“-Klauseln, kurz MAC-Klauseln, betreffen Fälle der „wesentlichen nachteiligen Änderung“ und gewähren dem Käufer im Einzelfall ein Rücktrittsrecht, wenn zwischen Signing, also der Unterzeichnung des Vertrags, und Closing, also dessen Vollzug, Ereignisse eintreten, die zu einer schwerwiegenden Veränderung der finanziellen Lage des Kaufobjekts führen. Angeknüpft wird dabei oftmals an bestimmte Unternehmenskennziffern wie Umsatz, EBITDA oder EBIT oder den Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Als wesentliche nachteilige Änderungen werden mangels ausdrücklicher Regelung insbesondere militärische Konflikte, Naturkatastrophen oder sonstige Ereignisse, die die gesamte Branche schwer erschüttern, in Betracht kommen. Ob die aktuelle Situation in den Anwendungsbereich einer MAC-Klausel fallen kann, ist im Einzelfall zu prüfen. Mit einbezogen werden können sicherlich Wertungen, die in der derzeitigen Lage von anderer Seite getroffen werden. So soll der baden-württembergische Landtag beschlossen haben, zur Ermöglichung von Sondermaßnahmen die Coronavirus-Pandemie als Naturkatastrophe anzusehen. Um ein Rücktrittsrecht zu gewähren, muss sich die Pandemie jedoch auch auf das Target entsprechend auswirken. Schwierig könnte dabei sein, dass sich Auswirkungen auf finanzielle Kennzahlen bisweilen erst im weiteren Verlauf zeigen werden. Der Einzelfall ist daher wie immer entscheidend.

Handlungsempfehlungen

Ist eine Transaktion noch nicht verbindlich vereinbart, sondern befindet man sich noch im Prüfungs- und Verhandlungsstadium, sollte eine Risikoanalyse in Bezug auf die wirtschaftlichen Risiken des Targets infolge der Pandemie vorgenommen werden. Insbesondere im Rahmen der Durchführung einer Due Diligence sollten mögliche Risiken aufgrund einer Ausbreitung der Pandemie in die Prüfung einbezogen werden und das Krisenmanagement ebenso wie evt. bestehende Notfallpläne der Gesellschaft, auch bzgl. Lieferketten, untersucht werden. Darüber hinaus sollten bei Kaufvertragsverhandlungen entsprechende Rücktrittsrechte vereinbart werden, wobei darauf zu achten ist, dass deren Voraussetzungen klar formuliert werden und ggf. den Fall einer Epidemie ebenso wie mittelbare Störungen im Unternehmensumfeld ausdrücklich mit abbilden. Mögliche Unsicherheiten können sich darüber hinaus auch auf den Kaufpreis oder evt. Kaufpreisanpassungen niederschlagen. Auch hier ist jedoch auf eine klare Formulierung entsprechender Regelungen zu achten. Ohne weitere Vorkehrungen wird ein späteres Berufen auf Beeinträchtigungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits absehbar waren, nur schwer zur einer Vertragsanpassung führen können.