Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot

Die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes gehört zu der bevorzugten wettbewerbsrechtlichen Absicherung des Arbeitgebers. Der seit Jahren unternehmensintern geförderte und nunmehr hochqualifizierte Arbeitnehmer kann für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren am Wettbewerb bei einem Konkurrenzunternehmen des Arbeitgebers gehindert werden. Dass in diesem Zusammenhang die rechtswirksame Ausgestaltung der Wettbewerbsklausel von großer Bedeutung ist, wissen die Arbeitgeber nur zu gut. Zu oft wurde schon zugunsten des Arbeitnehmers die nachvertragliche Wettbewerbsklausel im Arbeitsvertrag als rechtsunwirksam bewertet, sodass dem Arbeitnehmer der Weg zu dem Konkurrenten des ehemaligen Arbeitgebers offenstand.

Aktuell hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 31.01.2018 (10 AZR 392/17) mit dem Rücktritt eines Arbeitnehmers von einem bereits in Kraft gesetzten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot seines Arbeitsvertrages befasst. Gesetzlich normiert ist die Loslösung vom vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot in §§ 75, 75a HGB. Gemäß § 75 Absatz 1 HGB kann sich der Arbeitnehmer vom Wettbewerbsverbot lösen, wenn und soweit er das Vertragsverhältnis wegen vertragswidrigem Verhalten des Arbeitgebers kündigt. Er hat dem Arbeitgeber innerhalb eines Monats nach Ausspruch der Kündigung schriftlich mitzuteilen, wenn er sich nicht an das vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot gebunden fühlt. Auch der Arbeitgeber kann sich gemäß § 75a HGB vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses von dem nachvertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbot lösen, wenn er dies dem Arbeitnehmer schriftlich mitteilt. Hat der Arbeitgeber seinen Verzicht erklärt, ist der Arbeitnehmer sofort vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot freigestellt. Der Arbeitgeber ist hingegen für den Zeitraum eines Jahres seit Zugang der Verzichtserklärung an die Zahlung der zuvor vertraglich vereinbarten Karenzentschädigung verpflichtet. Neben den gesetzlichen Normierungen, besteht die Möglichkeit, dass sich die Vertragsparteien einvernehmlich über die Aufhebung des Wettbewerbsverbotes einigen. Das BAG sieht, im Falle eines Zahlungsverzuges seitens das Arbeitgebers über die bisherigen Lösungsmöglichkeiten hinaus, nunmehr auch den einseitigen Rücktritt von einem bereits in Kraft gesetzten Wettbewerbsverbot als rechtswirksam an. Allerdings verliert der Arbeitnehmer mit Abgabe der Rücktrittserklärung seinen Anspruch auf Karrenzentschädigung.

Die Entscheidung:

Das BAG entschied, der Kläger (Arbeitnehmer) habe für den klageweise geltend gemachten Zeitraum keinen Anspruch gegen die Beklagte (Arbeitgeber) auf Zahlung einer Karenzentschädigung aus der nachvertraglichen Wettbewerbsverbotsklausel des Arbeitsvertrages i.V.m. § 110 Satz 2 GewO, § 74b Absatz 1 HGB. Der Kläger sei durch seine Erklärung, er sehe sich nicht weiter an das Wettbewerbsverbot gebunden, die er per E-Mail an die Beklagte richtete, wirksam gemäß §§ 323 Absatz 1, 349 BGB vom arbeitsvertraglich vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zurückgetreten.

Das BAG hat in seinem Urteil festgestellt, dass das gesetzliche Rücktrittsrecht der §§ 323 ff. BGB nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf verbindliche nachvertragliche Wettbewerbsverbote anwendbar sei. Die Vereinbarung über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot sei ein eigenständiger gegenseitiger Vertrag, auch wenn dieser unmittelbar im Arbeitsvertrag enthalten sei. Eben auf diesen seien die gesetzlichen Vorschriften über den Rücktritt anwendbar.

Bei der Nichtzahlung der vereinbarten Karenzentschädigung handelt es sich um eine Pflichtverletzung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Daher seien gerade nicht die Vorschriften §§ 75, 75a HGB anwendbar, entschied das BAG. Diese Normen würden allein die Lösungsmöglichkeiten während des Vertragsverhältnisses betreffen. Sie würden gerade nicht die Lösungsmöglichkeiten aufgrund einer arbeitgeberseitigen Pflichtverletzung gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nach dessen in Kraftsetzung umfassen.

Der Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot entfalte Wirkung für die Zeit nach Zugang der Rücktrittserklärung – ex nunc. Ab diesem Zeitpunkt entfielen die wechselseitigen Rechte und Pflichten. Die Folge des Rücktritts ist die Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses gemäß § 346 Absatz 1 BGB. Der Rücktritt wirkt im vorliegenden Fall jedoch ausnahmsweise nur ex nunc, da das Wettbewerbsverbot bereits in Vollzug gesetzt wurde und die Unterlassung von Wettbewerb durch den Arbeitnehmer nicht rückabgewickelt werden kann.

Mit seiner entsprechenden E-Mail hat der Kläger, entgegen seiner Ansicht, den Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot erklärt. Ob eine rechtsgeschäftliche Erklärung den Sinngehalt einer Rücktrittserklärung nach § 349 BGB hat, ist nach allgemeinen Kriterien aufgrund einer entsprechenden Auslegung zu entscheiden. Es müssten nicht die Worte „Rücktritt“ oder „ich trete zurück“ verwendet werden. Notwendig, aber auch ausreichend für die Annahme einer Rücktrittserklärung ist, wenn dieser Erklärung des Rücktrittsberechtigten gem. §§ 133, 157 BGB entnommen werden kann, er wolle die beiderseitigen Leistungspflichten aus dem Vertrag beenden und die bereits ausgetauschten Leistungen wieder rückgängig machen. Eben dieser Wille sei, laut BAG, in der E-Mail des Klägers erkennbar gewesen.

Bewertung:

Das Urteil des BAG ist mit Vorsicht zu genießen. Denn auch wenn das Gericht keine Vergütungsverpflichtung des Arbeitgebers nach Rücktritt ausgesprochen hat, lässt das BAG den Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu. Das hat zur Konsequenz, dass der Arbeitgeber penibel darauf achten muss, die vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbotsreglung einzuhalten. Denn die andernfalls mögliche Loslösung von dem Wettbewerbsverbot hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer rechtlich nicht mehr gehindert ist, selbständig oder mittels eines Konkurrenzunternehmens in Wettbewerb zu seinem ehemaligen Arbeitgeber zu treten. Auf der anderen Seite steht dem Arbeitgeber die Möglichkeit offen, den Rücktritt des Arbeitnehmers vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zu provozieren, sollte er an einem solchen nicht weiter interessiert sein.