Druckkündigung nach außerdienstlich begangener Straftat

„Solange Herr A hier arbeitet, kommen wir nicht mehr.“

Mit dieser Situation sah sich ein Arbeitgeber in Bremen konfrontiert. Er beschäftigte einen verurteilten Sexualstraftäter, der wegen Kindesmissbrauchs eine Freiheitsstrafe zu verbüßen hatte. Nach Bewilligung von Freigang war vorgesehen, dass dieser wieder als Hafenarbeiter bei seinem Arbeitgeber tätig sein sollte. Als der Kläger an zwei Tagen im Juni und Juli 2013 zur Arbeit erschien, legten die restlichen Arbeitnehmer sowie Mitarbeiter von Fremdfirmen die Arbeit am Hafen nieder. Sie setzten diese erst fort, nachdem der Kläger das Betriebsgelände verlassen hatte. Um drohende finanzielle Einbußen zu vermeiden, kündigte der Arbeitgeber fristlos und hilfsweise fristgerecht.

Nun stellte sich vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) die Frage, ob der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer entlassen durfte, obwohl dem Mitarbeiter kein arbeitsrechtlicher Vorwurf wegen einer Pflichtverletzung aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis zu machen war (BAG, Urteil v. 15.12.2016, 2 AZR 431/15). Dies ist unter hohen Voraussetzungen zwar grundsätzlich mit „ja“ zu beantworten. Die Voraussetzungen einer „echten Druckkündigung“ lagen hier allerdings nach Auffassung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts nicht vor.

Das BAG hielt weder die fristlose, noch die fristgerechte Kündigung für wirksam.

Eine Kündigung stellt immer nur das letztmögliche Mittel dar. Darauf achtete das BAG in diesem Fall besonders, da kein Bezug zum Arbeitsverhältnis bestand. Dabei spielte die Fürsorgepflicht des beklagten Arbeitgebers eine entscheidende Rolle. Das BAG erachtete es für zumutbar, nicht nur den Druck durch die eigenen und fremden Arbeitnehmer anderweitig zu beseitigen, sondern vielmehr alles Erforderliche zu versuchen, um den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers zu erhalten und die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen.

Das Gericht hielt dem Arbeitgeber vor, dass er den Druck nicht ernsthaft zu beseitigen versuchte. Stattdessen erweckte er den Eindruck, das Verhalten seiner Mitarbeiter käme ihm gelegen, um eine Kündigung aussprechen zu können.

Das BAG stellte unmissverständlich klar, dass ein Arbeitgeber seine drohende Belegschaft darauf hinweisen muss, dass eine derartige Arbeitsverweigerung rechtswidrig ist. Er hätte außerdem Entgeltkürzungen, Abmahnungen und sogar Kündigungen zumindest in Aussicht stellen müssen. Daneben kann ein Arbeitgeber auch Gespräche und Mediationen oder eine Versetzung des Arbeitnehmers anbieten, um den Druck durch die Arbeitnehmer zu beseitigen.

Der Arbeitgeber hatte nach eigenem Vortrag die Belegschaft lediglich dazu aufgefordert, die Arbeit wiederaufzunehmen, ohne explizit auf die Rechtswidrigkeit der Arbeitsverweigerung hinzuweisen. Das war nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend.

Fazit:

Außerdienstliche Verfehlungen ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis stellen für sich genommen keinen Grund für eine arbeitgeberseitige Kündigung dar. Dies gilt auch dann, wenn die begangene Straftat als in besonderem Maße moralisch verwerflich erachtet wird. Bevor der Arbeitgeber den Druck aus der Belegschaft gegen einen Mitarbeiter aufgrund einer außerdienstlichen Straftat zum Anlass für eine Kündigung heranziehen kann, muss er sich zunächst schützend vor den Mitarbeiter stellen und gegebenenfalls sogar den mit Arbeitsniederlegung drohenden Kollegen/innen rechtliche Konsequenzen in Aussicht stellen. Letztendlich ist dieses Vorgehen nichts anderes als die konsequente Befolgung des Ultima-ratio-Prinzips, wonach eine Kündigung immer erst als letztes Mittel in Erwägung gezogen werden darf.