Kein fester Zeitpunkt für die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Kündigungen

Das Bundesarbeitsgericht hatte im Dezember letzten Jahres über die Frage zu entscheiden, ob die Kündigung einer einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Arbeitnehmerin unwirksam ist, weil die Schwerbehindertenvertretung erst nach Abschluss eines Verfahrens bei dem Integrationsamt bzw. der Anhörung des Betriebsrats beteiligt worden war. Die Vorinstanz hatte die Kündigung bereits aus diesem Grund für unwirksam erklärt (LAG Sachsen, Urteil vom 08.06.2018, Az: 5 Sa 458/17).

Sachverhalt:

Der Arbeitgeber beabsichtigte die Kündigung einer einem Schwerbehinderten gleichgestellten Arbeitnehmerin. Da die Kündigung von Schwerbehinderten und diesen gleichgestellten Arbeitnehmern die vorherige Beteiligung des Integrationsamtes erfordert, führte der Arbeitgeber zunächst erfolgreich ein Verfahren vor dem zuständigen Integrationsamt auf Zulassung der Kündigung durch. Sodann hörte der Arbeitgeber den bei ihm gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 07.03.2017 zur Kündigung an. Erst über eine Woche später erfolgte die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, welche der Kündigung wenige Tage später widersprach. Daraufhin wurde die Arbeitnehmerin mit Schreiben vom 24.03.2017 zum 30.09.2017 gekündigt.

Rechtliche Erwägungen des LAG Sachsen:

Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers erfordert nach § 178 Abs. 2 SGB IX (vormals § 95 Abs. 2 SGB IX) die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung. Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX (vormals § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Ohne eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist die Kündigung nach § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX (vormals § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX) unwirksam. Das LAG Sachsen vertrat die Auffassung, dass die Pflichten der Schwerbehindertenvertretung nur sachgerecht erfüllt werden können, wenn diese unverzüglich und umfassend von der Kündigungsabsicht des Arbeitgebers erfahre. Nur so könne die Schwerbehindertenvertretung noch auf die Willensbildung des Arbeitgebers einwirken. Eine solche Einflussnahme sei nicht mehr möglich, wenn die Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers schon feststehe, weil der Arbeitgeber zuvor ein Verfahren bei dem Integrationsamt und die Anhörung des Betriebsrats vorgenommen habe.

Entscheidung des BAG:

Durch Urteil vom 13.12.2018 (Az: 2 AZR 378/18), zu welchem bislang nur eine Pressemitteilung vorliegt, hat das Bundesarbeitsgericht nun festgestellt, dass die Kündigung nicht allein deshalb unwirksam sei, weil die Schwerbehindertenvertretung erst nach Abschluss des Verfahrens vor dem Integrationsamt und nach Anhörung des Betriebsrats beteiligt worden war.

Diese Entscheidung bringt für alle Arbeitgeber Rechtssicherheit. Sie bestätigt, dass nach dem aktuellen Recht keine zeitliche Reihenfolge für die kündigungsrelevanten Verfahren von schwerbehinderten Arbeitnehmern existiert. Folglich kann ein Arbeitgeber zukünftig zunächst ein Zulassungsverfahren zur Kündigung vor dem Integrationsamt durchführen, bevor er die Schwerbehindertenvertretung beteiligt. Denn ohne die Zulassung zur Kündigung durch das Integrationsamt ist die Kündigung ohnehin unwirksam.