Kündigungsschutzprozesse vor den Arbeitsgerichten dauern nicht selten viele Monate, insbesondere wenn mehrere Instanzen involviert sind. Geht der Rechtsstreit zugunsten des Arbeitnehmers aus, drohen dem Arbeitgeber unter Umständen stattliche Nachzahlungen an Verzugslohn. Kündigt der Arbeitgeber nämlich zu Unrecht, kommt er in Annahmeverzug der Arbeitsleistung und schuldet – als Ausnahme von dem Grundsatz „Kein Lohn ohne Arbeit“ – in der Regel für den gesamten Verzugszeitraum die vereinbarte Vergütung.
Eine wichtige Einschränkung hiervon ist u.a. in § 11 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geregelt. Der Arbeitgeber muss danach nicht den vollen Verzugslohn zahlen. Vielmehr muss sich der Arbeitnehmer das anrechnen lassen, was er durch anderweitige Arbeit verdient hat oder hätte verdienen können. Inwieweit der Arbeitnehmer dabei die zur Erzielung des anderweitigen Verdienstes erforderlichen Aufwendungen in Abzug bringen kann, hat nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 2. Oktober 2018 (5 AZR 376/17) entschieden.
In dem zugrundeliegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer, der als Pilot bei einem Luftfahrtunternehmen beschäftigt war, auf ausstehende Vergütung wegen Annahmeverzugs geklagt, nachdem die Unwirksamkeit der vorangegangenen Kündigung festgestellt worden war.
Bei seinem bisherigen Arbeitgeber flog der Kläger ausschließlich die dort eingesetzten Flugzeuge des Typs Fokker 100, für die er eine sog. Musterberechtigung besaß. Nach Ausspruch der (unwirksamen) Kündigung fand der Arbeitnehmer eine Stelle bei einem konkurrierenden Luftfahrtunternehmen und erwarb in der Folge, auf eigene Kosten, eine Musterberechtigung für Flugzeuge der Typen Airbus A320 und Boeing 757/767. Diese benötigte der Kläger, um entsprechende Flugzeuge bei seinem neuen Arbeitgeber fliegen zu können.
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte dem Arbeitnehmer noch die Möglichkeit der Kostenanrechnung auf den Zwischenverdienst zugesprochen und die Kosten für die Erlangung der beiden Musterberechtigungen wertmindernd berücksichtigt. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hat das BAG eine solche Kürzungsmöglichkeit verneint.
Nach § 11 Nr. 1 KSchG könnten Aufwendungen, die alleine den Interessen des Arbeitnehmers dienen, nicht in Abzug gebracht werden. Da bei dem alten Arbeitgeber weder Flugzeuge des Typs Airbus A320, noch des Typs Boeing 757/767 eingesetzt werden, waren die Kosten zur Erlangung der entsprechenden Mustergenehmigung daher nicht abzugsfähig. Diese Aufwendung hätten lediglich im Sinne einer Fortbildung die Qualifikation des Arbeitnehmers und damit dessen „Marktwert“ erhöht, ohne jedoch zur Ausübung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit beim bisherigen Arbeitgeber benötigt zu werden.
Ersatzfähig seien vielmehr nur solche Aufwendungen, die auch für seine beim bisherigen Arbeitgeber bestehenden Pflichten notwendig sind. Die Anrechnung anderweitigen Verdienstes ziele nämlich gerade darauf ab, eine Besser- oder Schlechterstellung des Arbeitnehmers nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess zu vermeiden. Der Arbeitnehmer sei so zu stellen, als wäre das Arbeitsverhältnis ungekündigt weitergeführt worden. Im fortbestehenden Arbeitsverhältnis hätte der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Vergütung einer solchen Qualifizierungsmaßnahme gehabt, da der Arbeitgeber grundsätzlich nur die Kosten einer Fortbildungsmaßnahme zu tragen hat, die innerbetrieblich von Vorteil ist oder der Auffrischung oder Vertiefung bereits vorhandener Kenntnisse dient.
Für die Praxis:
Stellt sich eine arbeitgeberseitige Kündigung als unwirksam heraus, muss der Arbeitgeber Verzugslohn nachzahlen. Mögliche Aufwendungen, die allein im Interesse des Arbeitnehmers liegen, sind nicht wertmindernd bei der Ermittlung des Annahmeverzugslohns zu berücksichtigen.
Hieraus ergibt sich aber noch eine weitere Konsequenz für den Arbeitgeber: Ein Arbeitnehmer unterlässt es somit grundsätzlich nicht böswillig, eine andere zumutbare Arbeit im Sinne des § 11 Nr. 2 KSchG aufzunehmen, wenn Voraussetzung hierfür der erfolgreiche Abschluss einer Qualifizierungsmaßnahme ist, für die der Arbeitnehmer finanzielle Aufwendungen zu erbringen hat. Etwas Anderes wird aber gelten, wenn die Qualifizierungsmaßnahme für den Arbeitgeber von Vorteil ist oder der Auffrischung/Vertiefung bereits vorhandener Kenntnisse dient.