Kaduzierung eines Geschäftsanteils – Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter

Ein zentrales Anliegen des GmbH-Rechts ist es, im Interesse des Gläubigerschutzes die ordnungsgemäße und vollständige Leistung der Einlagen auf das Stammkapitals einer GmbH sicherzustellen. Diesem Ziel dienen auch die Regelungen zur sogenannten Kaduzierung von Geschäftsanteilen (§§ 21 – 25 GmbHG), welche der BGH mit seinem Urteil vom 18.09.2018 (Az: II ZR 312/16) in den Fokus der gesellschaftsrechtlichen Betrachtung gerückt hat. Denn die Entscheidung betrifft die brisante Fragen, in wie weit sogar Neugesellschafter für offene Einlagen haften, die auf Geschäftsanteile zu leisten waren, die sie selbst nicht erworben haben, und wegen derer schon vor ihrem Beitritt ein Kaduzierungsverfahren eingeleitet worden war.

Hintergrund

Kaduzierung eines Geschäftsanteils als probates Druckmittel

Das Kaduzierungsverfahren dient der Sicherung der Kapitalaufbringung. Es räumt der Gesellschaft das Recht ein, einen Gesellschafter, der seine Bareinlage nicht fristgemäß und auch auf erneute Aufforderung durch die Gesellschaft nicht leistet, aus der Gesellschaft auszuschließen und ihm seine(n) Geschäftsanteil(e) zu entziehen (kaduzieren). Dieses Recht steht der Gesellschaft von Gesetzes wegen zu und lässt sich nicht mittels Satzungsregelung ausschließen(§ 25 GmbHG).

Eine Verpflichtung zur Durchführung des Kaduzierungsverfahrens bei Vorliegen der Voraussetzungen besteht für die Gesellschaft jedoch nicht. Oftmals stellt auch bereits die Androhung eines solchen Verfahrens ein probates Druckmittel dar, den säumigen Gesellschafter zur Erfüllung seiner Einlageverpflichtung zu bewegen.

Ausfallhaftung gemäß § 24 GmbHG

Kommt der säumige Gesellschafter seiner Einlageverpflichtung weiterhin nicht nach und kaduziert die Gesellschaft deshalb dessen Geschäftsanteile, hat die Gesellschaft zur Sicherung der Kapitalaufbringung den rückständigen Betrag beizutreiben. Hierzu sind zwar vorrangig die Rechtsvorgänger des ausgeschlossenen Gesellschafters in Anspruch zu nehmen (§ 22 GmbHG) sowie die kaduzierten Geschäftsanteile zu verkaufen (§ 23 GmbHG).

Konnte durch die vorgenannten Maßnahmen noch immer keine volle Deckung erreicht werden, müssen am Ende jedoch die Mitgesellschafter gemäß § 24 GmbHG für die offenen Einlagen gerade stehen.

Die Mitgesellschafter haften dabei pro rata, also nach dem Verhältnis der Nennbeträge. Ist jedoch einer der Gesellschafter zur Erfüllung seiner anteiligen Zahlungsverpflichtung aus § 24 Satz 1 GmbHG nicht in der Lage, wird auch dieser Betrag pro rata auf die übrigen Gesellschafter verteilt (§ 24 Satz 2 GmbHG). Dies kann im Extremfall dazu führen, dass ein Gesellschafter allein für die Aufbringung der Stammeinlage haftet und zwar auch dann, wenn er nur eine geringe Beteiligung an der Gesellschaft hält.

Höchstrichterlich nicht abschließend geklärt war bislang, ob die Haftung nach § 24 Satz 1 GmbHG auch einen solchen Mitgesellschafter erfasst, der seine Gesellschafterstellung erst nach Fälligkeit der dem Kaduzierungsverfahren zugrunde liegenden Forderungen erlangt hat. Diese Frage hat der BGH nunmehr mit seiner Entscheidung vom 18.09.2018 geklärt und sich für eine Mithaftung des beigetretenen Gesellschafter ausgesprochen.

Der Fall

Etwas vereinfacht liegt der Entscheidung folgender Fall zugrunde:

Der Insolvenzverwalter (Kläger) der K-GmbH, welche im Jahr 2004 durch den Alleingesellschafter H. gegründet worden war, klagte gegen die beiden späteren Mitgesellschafter des H. (Beklagte) auf Leistung der offenen Stammeinlage. Denn von der zunächst vollständig erbrachten Stammeinlage wurden bis zur Eintragung im Handelsregister ein Großteil wieder an ihn zurückgezahlt. Darüber hinaus bestand bei Eintragung eine Unterbilanz.

Später teilte H. seinen Geschäftsanteil in einen Anteil von 17.500,00 € und zwei weitere Anteile über je 3.750,00 €. Letztere übertrug er an die beiden Beklagten.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der K-GmbH klagte der Insolvenzverwalter gegen H. auf Leistung der offenen Stammeinlage sowie Erstattung der Unterbilanz. Der Klage wurde vollumfänglich stattgegeben.

Im Anschluss kaduzierte der Kläger den Geschäftsanteil des H. und klagte (vom BGH entschiedener Rechtsstreit) gegen die Beklagten auf anteilige Ausfallhaftung für die gegen H. titulierten Ansprüche.

Auf die Berufung der Beklagten hin, wies das Oberlandesgericht Jena die Klage ab. Die Revision des Klägers war erfolgreich.

Entscheidung des BGH

Der BGH hob das angefochtene Urteil auf und verwies es zur erneuten Entscheidung zurück.

Eine Haftung der Rechtsvorgänger (§ 22 GmbHG) kam nicht in Betracht, da H. einziger Gründungsgesellschafter war. Auch eine Veräußerung des Geschäftsanteils war aufgrund der Insolvenz der K-GmbH von vornherein aussichtslos. Da die Gesellschaft noch keine Zwangsvollstreckung gegen den H. aufgrund vorrangiger Ausfallhaftung gemäß § 21 Abs. 3 GmbHG betrieben hatte, verwies der BGH die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück. Zugleich bejahte er jedoch die Haftung der Beklagten im Grundsatz.

Denn es sei ohne Belang, dass die Beklagten ihre Gesellschafterstellung erst nach Fälligkeit der dem Kaduzierungsverfahren zugrunde liegenden Forderungen erlangt hätten. § 24 GmbHG sehe keine Unterscheidung zwischen den Mitgesellschaftern vor. Hierfür spreche auch der Schutzzweck des § 24 GmbHG, welcher der Sicherung der Kapitalaufbringung und somit dem Gläubigerschutz diene. Die Ausfallhaftung sei Ausdruck der subsidiären Gesamtverantwortung der Gesellschafter für die Erbringung des Stammkapitals Verantwortung und treffe bis zu dessen vollständigen Erbringung alle Gesellschafter.

In diesem Zusammenhang stellte der BGH auch klar, dass die Ausfallhaftung neben den gegenwärtigen Gesellschaftern auch sogenannte Zwischenerwerber erfasse; also solche Gesellschafter, die ihre Gesellschafterstellung nur in der Zeit zwischen der Fälligkeit der Forderungen, derentwegen das Kaduzierungsverfahren betrieben wird, und dem Eintritt der Voraussetzungen der §§ 21-23 GmbHG innehatte. Denn ein Gesellschafter solle sich seiner Verpflichtung zur Kapitalaufbringung nicht durch Veräußerung seines Anteils „gezielt entledigen“ können.

Folgen für die Praxis

Durch die aktuelle Entscheidung des BGH wurde die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter in erheblichem Umfang ausgeweitet. Erwerber eines Geschäftsanteils übernehmen die Ausfallhaftung des Veräußerers für rückständige Kapitaleinlage. Die Haftung lässt sich weder mittels Satzungsregelung noch im Anteilskauf- und Abtretungsvertrag wirksam ausschließen. Diesen Haftungsrisiken sollten sich Erwerber bewusst sein und die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung vor Erwerb einer Beteiligung sorgfältig prüfen.