Die Kündigung aus wichtigem Grund im VOB/B Bauvertrag. Ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen möglich?

Beim Nachschieben von Kündigungsgründen kann eine Kündigung nach § 8 Nr. 3 i.V.m. § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) nur dann als wirksam angesehen werden, wenn die in § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) genannten Voraussetzungen im Zeitpunkt der Kündigung bereits vorlagen.

BGH, Beschluss vom 11.10.2017 – VII ZR 46/15

Sachverhalt

Die Bauherrin beauftragte einen Unternehmer mit Fensterbauarbeiten und mit der Errichtung der Glasfassade einer Sporthalle. Die VOB/B wurde wirksam vereinbart.  Mit Schreiben vom 29.03.2007 rügte die Bauherrin noch während der Ausführungsphase das Fehlen mehrerer statischer Nachweise, die mangelhafte Ausführung mit unzulässigen Riffeldübeln aus Buche sowie die Absturzgefahr von Teilen der verbauten Verglasung. Sie setzte dem Unternehmer eine Frist zur Mangelbeseitigung unter Kündigungsandrohung bei fruchtlosem Ablauf. Nachdem der Unternehmer die gesetzte Frist verstreichen ließ, rügte die Bauherrin mit Schreiben vom 12.04.2007 erneut unter Fristsetzung und Kündigungsandrohung das Fehlen diverser Nachweise. Weitere Kündigungsgründe wurden nicht benannt.

Auch diese Frist lies der Unternehmer fruchtlos verstreichen. Die Bauherrin kündigte daraufhin mit Schreiben vom 18.04.2007 den Bauvertrag mit dem Unternehmer. Im Kündigungsschreiben stütze sich die Bauherrin ausschließlich auf die im Schreiben vom 12.04.2007 genannten Gründe.

Die Bauherrin verlangte von dem Unternehmer wegen den Mangelbeseitigungskosten Schadensersatz. Dieser machte widerklagend Werklohn für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen geltend. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen, da die in dem Schreiben vom 12./18.04.2007 aufgeführten Kündigungsgründe nicht vorgelegen hätten und die Bauherrin sich nicht auf die weiteren Gründe aus dem Schreiben vom 29.03.2007 bezogen habe. Hiergegen legte die Bauherrin Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ein.

Entscheidung

Mit Erfolg! Der Bundesgerichtshof hat der Beschwerde der Bauherrin stattgegeben und das Urteil des Oberlandesgerichts teilweise aufgehoben. Es habe zu Unrecht angenommen, dass die im Schreiben vom 29.03.2007 aufgeführten Mängel nicht für die Kündigung am 18.04.2007 herangezogen werden können. Es sei unerheblich, dass die Kündigungsgründe aus dem Kündigungsschreiben selbst nicht gegeben seien.  Jedenfalls lägen wirksame Kündigungsgründe aus dem ersten Aufforderungsschreiben vor. Die Bauherrin könne die Kündigung auch noch nachträglich auf diese Gründe stützen.  Das Nachschieben von Kündigungsgründen durch den Auftraggeber könne auch noch nach der Kündigung des Auftragnehmers beziehungsweise nach der Selbstvornahme des Auftraggebers erfolgen. Dabei sei erforderlich, dass die Kündigungsgründe im Zeitpunkt der Kündigung auch vorlagen, was vorliegend gegeben sei.

Praxishinweis

Das Urteil bezieht sich auf die VOB/B 2002, ist aber auf die aktuelle Fassung der VOB/B übertragbar.

Es gibt wieder einmal Anlass, auf die teilweise übereilten –und damit oftmals nicht wirksamen- Kündigungsschreiben in der Praxis hinzuweisen. Auch wenn es im vorliegenden Fall für die Bauherrin möglich war, die bestehenden Kündigungsgründe auch noch im Prozess nachzuschieben, gilt dies nicht in jedem Fall.

Zwingende Voraussetzung ist immer, dass die (nachgeschobenen) Kündigungsgründe auch im Zeitpunkt der Kündigung vorgelegen haben müssen. Außerdem müssen die formalen Voraussetzungen einer Kündigung nach der VOB/B eingehalten werden. Es muss eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung gesetzt und die Kündigung dann auch zeitnah nach Fristablauf ausgesprochen werden.

Lässt sich der Auftraggeber nach Fristablauf auf Verhandlungen mit dem Auftragnehmer ein oder gestattet er die Fortsetzung der Bauarbeiten oder nimmt sie gar widerspruchlos hin, dann hat er sein Kündigungsrecht verwirkt. In diesen Fällen muss er dann erneut eine Nachfrist mit Kündigungsandrohung setzen (Kapellmann/Messerschmidt/Lederer, 6. Aufl. 2017, VOB/B § 8 Rn. 98).