Entschädigung für konfessionslose Bewerberin – BAG folgt der Linie des Europäischen Gerichtshofes

Kirchliche Arbeitgeber, wie Diakonie und Caritas, beschäftigen in Deutschland mehr als 1,3 Millionen Mitarbeiter. Nicht nur aus diesem Grund wurde das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil v. 25.10.2018, Az. 8 AZR 501/14) zu dem Fall Egenberger mit Spannung erwartet. Über die vorangegangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 17.4.2018 hatten wir bereits berichtet.

Das kirchliche Arbeitsrecht unterscheidet sich teilweise stark von den arbeitsrechtlichen Vorschriften der Privatwirtschaft. So konnten kirchliche Arbeitgeber beispielsweise von ihren Mitarbeitern bislang die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession bzw. zumindest die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche (sog. ACK-Mitgliedschaft) verlangen. Diese Gestaltungsmöglichkeit hat das BAG nun deutlich eingeschränkt.

In dem zugrundeliegenden Fall klagte eine abgelehnte Bewerberin, Frau Vera Egenberger, auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Absatz 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Bei dem Beklagten handelt es sich um ein diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland. Im November 2012 schrieb die Diakonie eine befristete Referentenstelle aus. Die Ausschreibung enthielt unter anderem folgende Angabe: „Die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag setzen wir voraus. Bitte geben Sie Ihre Konfession im Lebenslauf an.“ Die konfessionslose Klägerin bewarb sich auf die Stelle, wurde aber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Stattdessen wurde die Stelle mit einem evangelischen Bewerber besetzt.

In seinem aktuellen Urteil setzte das BAG nun die neuen Vorgaben des EuGH um und verurteilte den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 3.915,46 Euro.

Der kirchliche Arbeitgeber hat die Klägerin wegen der Religion benachteiligt. Diese Benachteiligung war nicht nach § 9 Abs. 1 AGG ausnahmsweise gerechtfertigt. Eine solche Rechtfertigung scheidet aus. § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG ist einer unionsrechtskonformen Auslegung im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG nicht zugänglich und muss deshalb unangewendet bleiben.

Nach den Vorgaben des EuGH gilt das Diskriminierungsverbot in seiner europäischen Ausformung auch für kirchliche Einrichtungen in Deutschland. Eine bestimmte Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft könne nur dann eine zulässige berufliche Anforderung ausmachen, wenn dies für die konkrete Tätigkeit objektiv geboten sei. Bei der Frage der Gebotenheit müssten die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Soweit das deutsche Recht den Kirchen weitergehende Rechtfertigungsmöglichkeiten erlaube, wie dies in § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG der Fall ist, seien diese europarechtswidrig und müssten ohne Anwendung bleiben. Kirchen dürfen damit also nur noch sehr eingeschränkt bestimmen, ob eine bestimmte Religion eine notwendige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Außerdem unterliegt diese Frage nunmehr einer umfassenden arbeitsgerichtlichen Kontrolle.

Ausblick:

In direkter Anwendung der Vorgaben des EuGH hat das BAG in seiner Entscheidung eine Norm des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes wegen Unvereinbarkeit mit Unionsrecht für unanwendbar erklärt. Diese Norm ist ein Ausfluss des nach deutschem Verfassungsrecht geschützten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Ob der Gesetzgeber diese Vorlage als Handlungsaufforderung auffasst und das AGG ändert, muss abgewartet werden. Interessant wird auch sein, wie das Bundesverfassungsgericht, das bislang das kirchliche Selbstbestimmungsrecht immer verteidigt hat, mit dieser EuGH-Rechtsprechung umgehen wird. Hier ist wegen der Höherrangigkeit des Unionsrechts über kurz oder lang von einer Rechtsprechungsänderung auszugehen.

In der Arbeitsrechtspraxis müssen kirchliche Arbeitgeber in ihren Stellenausschreibungen flexibler werden und sollten nicht mehr pauschal auf die Konfessionszugehörigkeit von Bewerbern/innen bestehen. Tun sie es dennoch, drohen Diskriminierungsklagen.