Wann verjähren Schadensersatzansprüche wegen Verzugs?

Der BGH befasste sich in seinem Urteil vom 19.05.2022 (Az.: VII ZR 149/21) mit der Frage, wann Schadensersatzansprüche eines Auftraggebers infolge Verzuges des Auftragnehmers verjähren und ob die Verjährung für sämtliche Verzugsschäden – einschließlich der nachträglich eingetretenen und vorhersehbaren Schadensfolgen – einheitlich zum selben Zeitpunkt beginnt.

Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) beauftragte ein Bauunternehmen mit der Erstellung eines Einfamilienhauses. Vereinbart wurde eine Bauzeit von drei Monaten. Die Bauarbeiten begannen im Juni 2008. Nachdem es zu Unstimmigkeiten hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Leistungen des Unternehmens kam und der AG Abschlagsrechnungen nicht begleichen wollte, stellte das Unternehmen seine Arbeiten 2008 ein. Es folgten anwaltliche Schreiben zur Wiederaufnahme der Arbeiten, ein gerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Abschlagsrechnungen sowie Vergleichsgespräche. Nach einem Rücktritt vom Vertrag machte der AG 2017 unter anderem Schadensersatz wegen Verzugs für den Ersatz von Einlagerungskosten für eine Küche, Bereitstellungszinsen sowie Mietzahlungen geltend. Das  Unternehmen erhob die Einrede der Verjährung.

Entscheidung

Das Gericht gab dem Unternehmen Recht! Die Ansprüche seien verjährt. Der Anspruch auf Schadensersatz infolge Verzugs unterliege der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren. Die Verjährung beginne mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und der AG von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners – hier das Unternehmen –  Kenntnis erlange oder ohne grobe Fahrlässigkeit habe erlangen müssen. Die Verjährungsfrist habe hier bereits 2008 begonnen. Dies aus folgenden Gründen:

Ein Schadensersatzanspruch entstehe einheitlich auch für die erst in Zukunft entstehenden zurechenbaren und voraussehbaren Schäden, sobald irgendein Teilschaden entstanden sei und dieser gerichtlich – sei es auch nur durch Feststellungsklage –  geltend gemacht werden könne (Grundsatz der Schadenseinheit). Hier sei ein Teilschaden bereits 2008 eingetreten. Damit habe die dreijährige Verjährungsfrist mit Schluss des Jahres 2008 zu laufen begonnen.  Bei den fortlaufenden Aufwendungen für Mietzahlungen, die Einlagerung der Küche sowie Bereitstellungszinsen handele es sich um erwartbare Folgen der verspäteten Fertigstellung. Der AG hätte auf dieser Basis jedenfalls eine Feststellungsklage erheben können.

Praxistipp

Verzugsschäden an Bauvorhaben lassen sich oftmals erst Monate oder Jahre nach einem ursprünglichen Verzug (vollständig) beziffern. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Verjährung für Schäden – auch u.U. solche Schäden, die noch nicht eingetreten sind, aber erwartbar waren – einheitlich beginnt, sobald ein Schaden gerichtlich (etwa durch eine Feststellungsklage) geltend gemacht werden kann. Das kann bei Großbauvorhaben mit Bauzeiten von einigen Jahren bedeuten, dass Verzugsansprüche des Auftraggebers schon vor der Fertigstellung des Bauvorhabens verjähren können. Der Auftraggeber muss dann frühzeitig tätig werden, um seine Ansprüche gegen eine Verjährung zu sichern. In Betracht kommt dabei insbesondere die Feststellungsklage, welche die Verjährung hemmt. Diese kann erhoben werden, ohne dass der Schaden beziffert werden muss. Sie kann daher zeitlich weit vor einer Klage auf Zahlung geltend gemacht werden.

Der Beitrag ist zuerst erschienen in Ausgabe 158 des Immobilienreport Metropolregion Rhein-Neckar.