Problemstellung
Ein Auftraggeber hatte dem Auftragnehmer als Sicherheit für Vergütungsansprüche eine Bankbürgschaft gestellt. Die Bürgschaftsurkunde befand sich beim Auftragnehmer. Nachdem alle Vergütungsansprüche erfüllt waren, verlangte der Auftraggeber vom Auftragnehmer mehrfach die Herausgabe/Rücksendung der Bürgschaftsurkunde. Nachdem eine Herausgabe durch den Auftraggeber nicht erfolgte, klagte der Auftraggeber auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde. Der Auftragnehmer erkannte daraufhin den Anspruch vor Gericht an, so dass die Parteien nur noch über die Kostentragung im Prozess stritten.
Entscheidung
Nach der Entscheidung des OLG Frankfurt (Beschluss vom 30.05.2022 – Az. 22 W 22/22) trägt der Auftraggeber die Kosten des Rechtsstreits. Denn er hätte den Rechtsstreit verloren, wenn er durchgeführt worden wäre. Nach Auffassung des Gerichts hat der Auftragnehmer keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er sich mit der Herausgabe der Bürgschaft in Verzug befunden hätte. Dies sei aber nicht der Fall gewesen: Denn der Auftragnehmer sei nicht verpflichtet gewesen, dem Auftraggeber die Bürgschaftsurkunde zu übersenden. Die Bereitstellung zur Abholung hätte genügt. Denn: Bei der Verpflichtung des Auftragnehmers zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde handele es sich um eine sogenannte Holschuld. Sowohl der Ort der Leistungshandlung (Leistungsort), als auch der Ort des Leistungserfolgs (Erfolgsort) lägen am Geschäftssitz des Auftragnehmers. Ohne anderslautende Vereinbarung handele es sich nicht um eine sogenannte Schickschuld. Ähnlich hatte z.B. mal das OLG Celle für eine Gewährleistungsbürgschaft entscheiden (OLG Celle, Urteil vom 03.09.2009 – 13 U 37/09).
Praktische Bedeutung
Im Falle der Rückforderung einer Bürgschaft sollte dem Bürgschaftsnehmer (Besitzer der Urkunde) angeboten werden, die Bürgschaft bei ihm abzuholen.
Weiter stellt sich die Frage, ob die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt nicht auch für Bauhandwerkersicherheiten nach § 650f (früher § 648a) BGB gilt. Die dort dem Auftraggeber nach der Rechtsprechung vom Auftragnehmer zu setzende Frist zur Stellung einer Bürgschaft ist sehr kurz. Als angemessene Frist, die mit hoher Wahrscheinlichkeit angemessen sein dürfte, sind 14 Kalendertage anzusehen. Nur dann, wenn in diesem Zeitraum z.B. Feiertage liegen, die auf Arbeitstage (Montag bis Freitag) fallen, ist davon auszugehen, dass ein längerer Zeitraum gewährt werden muss. Unter Berücksichtigung der Bearbeitungszeit bei der Bank haben Auftraggeber teilweise Probleme, die Bürgschaft rechtzeitig an den Auftragnehmer zu übermitteln. Es wäre angesichts dessen sehr günstig für den Auftraggeber, wenn es ausreichen würde, wenn er dem Auftragnehmer die Abholung der Bürgschaftsurkunde innerhalb der vom Auftragnehmer gesetzten Frist ermöglichen könnte. Leider gibt es hierzu bislang aber keine gefestigte Rechtsprechung, so dass es der sicherste Weg bleibt, wenn der Auftraggeber die Bürgschaftsurkunde während der gesetzten Frist im Original an den Auftragnehmer übermittelt (notfalls per Boten).
Der Beitrag ist zuerst erschienen in Ausgabe 159 des ImmobilienReport Metropolregion Rhein-Neckar.