Vertikale Aufgabendelegation – Möglichkeiten und Grenzen zur Haftungsvermeidung

Die Geschäftsleitung eines Unternehmens ist in der Regel personell nicht in der Lage, alle unternehmensbezogenen Aufgaben selbst effektiv wahrzunehmen.

Neben der Möglichkeit, bestimmte Geschäftsführungsaufgaben in unterschiedliche Ressorts aufzuteilen (sog. horizontale Delegation, vgl. hierzu Masuch/Usselmann, Blogbeitrag vom 18.03.2019), besteht auch die Möglichkeit, Aufgaben an nachgeordnete Unternehmensebenen zu übertragen (vertikale Delegation).

Grundsätzlich liegt die Entscheidung, ob eine Aufgabe delegiert wird, im unternehmerischen Ermessen des Delegierenden. Ab einer bestimmten Größe des Unternehmens ist die Geschäftsleitung jedoch darauf angewiesen, bestimmte Aufgaben an Mitarbeiter zu übertragen, sodass die Delegation faktisch notwendig wird. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Verpflichtung der Geschäftsleitung, die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters” bzw. „ordentlichen Geschäftsmannes” (§ 93 Abs.1 Satz 2 AktG, § 43 GmbHG) einzuhalten.

Die Delegation von Aufgaben zielt nicht nur darauf ab, die Arbeitslast der Geschäftsleitung zu reduzieren und zugleich die Fachkompetenzen nachgeordneter Abteilungen zu nutzen, sondern dient auch als juristisches Mittel, die Verantwortung und daran geknüpft die Haftung hinsichtlich übertragener Aufgabenbereiche zu begrenzen. Letzteres kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn sich die Delegation in bestimmten Grenzen hält und die Geschäftsleitung fortbestehenden Überwachungspflichten nachkommt.

Grenzen der Aufgabendelegation

Hinsichtlich der Ausgestaltung der Aufgabendelegation ist zwischen AGs und GmbHs zu unterscheiden.

Der Vorstand der AG hat im Rahmen der vertikalen Delegation das Gebot der Eigenverantwortlichkeit zu beachten. Letztentscheidungen müssen stets vom Vorstand getroffen werden. Entscheidungen im Leitungsbereich sind daher stets „Chefsache“. Dass solche Entscheidungen im Ernstfall auch tatsächlich vom Vorstand getroffen werden können, lässt sich durch unternehmensinterne Berichtswege sicherstellen, die auf eine effektive Ausübung der Leitungsfunktionen durch den Vorstand ausgelegt sind. Bei der AG bleibt der Vorstand im Ergebnis in allen Aufgabenbereichen letztverantwortlich.

Bei der GmbH dagegen lassen sich aufgrund des Weisungsrechts der Gesellschafter auch Funktionen im Leitungsbereich auf nachgeordnete Unternehmensebenen übertragen. Ob der Kernbereich bei Geschäftsleitungsfragen der Geschäftsführung ebenso wie dem Vorstand einer AG zwingend vorbehalten ist, ist umstritten.

Jedenfalls bestimmte gesetzlich der Geschäftsführung zugewiesene Aufgaben sind einer vollständigen Übertragung auf andere Unternehmensebenen entzogen. Dies gilt beispielsweise für die Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung gemäß § 41 GmbH.

Mit der Übertragung einer Aufgabe geht auch die Verantwortung für den übertragenen Bereich von der Geschäftsleitung auf die nachgeordnete Abteilung über. Dies gilt gleichermaßen für AG und GmbH.

Eine vollständige Entbindung der Geschäftsleitung von der Verantwortung bewirkt die Delegation indes nicht. Vielmehr verbleiben wegen der stets bestehenden Gesamtverantwortung für das Unternehmen weitreichende Überwachungs- und Kontrollpflichten.

Zur effektiven Wahrnehmung der Überwachungs- und Kontrollpflichten bedarf es der Implementierung individuell auf das Unternehmen zugeschnittener Informations- und Überwachungsstrukturen. Der Umfang derselben richtet sich wiederum nach unterschiedlichen Faktoren wie der Unternehmensgröße, der Anzahl an Hierarchieebenen und der Komplexität der Geschäftsbereiche.

Haftungserleichterung

Im Zusammenhang mit der Aufgabendelegation sollte aufgrund der verbleibenden Kontrollpflichten nicht von „Enthaftung“, sondern von einer Verschiebung oder Einschränkung der Haftung gesprochen werden.

Denn die Geschäftsleitung haftet gegenüber der Gesellschaft auch weiterhin für Pflichtverletzungen. Die Organhaftung für Vorstands- bzw. Geschäftsführungsmitglieder beschränkt sich aber auf eigenes Verschulden bei der Verletzung der persönlich obliegenden Sorgfaltspflichten (vgl. § 43 Abs. 2 GmbHG bzw. § 93 Abs. 2 AktG). Für fremdes Verschulden haftet die Geschäftsleitung nicht.

Bei wirksamer Übertragung von Aufgabenbereichen kommt eine Haftung für eigenes Verschulden quasi „nur“ noch bei Missachtung der individuellen Überwachungspflichten in Betracht. Kommt die Geschäftsleitung ihren individuellen Pflichten im Rahmen der ordnungsgemäßen Überwachung der nachgeordneten Unternehmensebenen nach, lässt sich die Haftung also wirksam einschränken.

Ausblick

Dieser Beitrag gibt lediglich einen Kurzüberblick über Möglichkeiten und Grenzen der Haftungserleichterung durch vertikale Aufgabendelegation.

Die Möglichkeit, u.a. zu dieser Thematik Näheres zu erfahren, besteht im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung Unternehmensrecht, welche am 24.10.2019 in den Kanzleiräumen von MELCHERS in Heidelberg stattfindet.

Aufgrund der enormen Praxisrelevanz widmet sich die diesjährige Veranstaltung dem Schwerpunktthema „Arbeitsteilung und Haftung“.

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