Update: Aktuelle Bestandsaufnahme zum Baurecht in der Corona-Pandemie

Nach wie vor kommt es durch die Corona-Pandemie zu Beeinträchtigungen in allen wirtschaftlichen Bereichen der Bundesrepublik Deutschland. Umso erstaunlicher ist es, dass dem Vernehmen nach der Betrieb auf den allermeisten Baustellen ziemlich ungestört zu verlaufen scheint. Vereinzelt kommt es zu Nachtragsforderungen von Auftragnehmern, die z.B. wegen gestiegener Hygieneanforderungen eine zusätzliche Vergütung wegen der hierfür veränderten Baustelleneinrichtung geltend machen. Teilweise kommt es zu Verzögerungen in Folge des Umstands, dass entweder Material oder Personal aus dem Ausland in Folge der veränderten Grenzregelungen nicht oder nur verzögert beschafft werden kann.

Mitunter sind es auch die Auftraggeber, bei denen es Schwierigkeiten auftreten, da etwa wegen des Personals im Homeoffice oder innerbehördlicher Regelungen notwendige Baustellenbesprechungen mit wichtigen Entscheidungen nicht durchgeführt werden können oder sich aber beispielsweise die Rechnungsprüfung verzögert.

In den vorstehenden Situationen wird teilweise sehr pauschal mit der Corona-Pandemie argumentiert.

Dies gibt Anlass, einige grundsätzliche rechtliche Risikozuweisungen des Baurechts nochmals (wir hatten hierzu schon einen Leitfaden veröffentlich) näher zu erläutern.

Bereitstellungsrisiko

§ 642 BGB gilt unverändert. Dies hat zur Folge, dass der Auftraggeber das so genannte Bereitstellungsrisiko trägt. Kommt es also in Folge gesetzlicher Bestimmungen zu einer Situation, dass das Baugrundstück nicht zur Verfügung steht oder nicht gebaut werden kann, weil der Auftraggeber z.B. in Folge von Verzögerungen bei der Verwaltung, die sich teilweise im Homeoffice befindet, keine Baugenehmigung erhält, so ist dieses Risiko vom Auftraggeber zu tragen. Dies gilt auch in Fällen, in denen vom Auftraggeber beauftragte Vorunternehmer wegen der Corona-Pandemie notwendige Vorleistungen nicht rechtzeitig fertig gestellt haben oder der vom Auftraggeber beauftragte Planer seine Planung nicht rechtzeitig vorlegen kann.

Beschaffungs- und Ausführungsrisiko

Umgekehrt liegt das Beschaffungs- und Ausführungsrisiko auch in der Corona-Pandemie grundsätzlich beim Auftragnehmer. Der Auftragnehmer muss also die Leistung zu der vereinbarten Vergütung und innerhalb der vereinbarten Zeit erbringen, auch wenn sich im Bereich der Beschaffung von Personal- und Materialressourcen eine veränderte Sachlage ergibt. Das Risiko, dass Arbeitnehmer von Nachunternehmern aus dem Ausland nicht einreisen können oder Material aus dem Ausland nicht beschafft werden kann, trägt also grundsätzlich der Auftragnehmer.

Bei VOB/B-Werkverträgen ist durch § 6 Abs. 3 Nr. 1c VOB/B zwar geregelt, dass bei Vorliegen höherer Gewalt der Auftragnehmer eine verlängerte Ausführungszeit zugebilligt bekommt. Diese Regelung liefert aber keine Anspruchsgrundlage für eine Anpassung der Vergütung in derartigen Situationen.

Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage

(Vor-)schnell wird von einer der beiden Vertragsparteien auch dahingehend argumentiert, dass die grundsätzliche gesetzliche Regelung der Verteilung von Bereitstellungsrisiko einerseits und Beschaffungs- und Ausführungsrisiko andererseits in Folge Störung der Geschäftsgrundlage durch die Corona-Pandemie als „höhere Gewalt“ angepasst werden müsse.

Richtig ist, dass eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage bei einer Pandemie grundsätzlich denkbar ist. Dies ist aber eine Frage, die für jeden einzelnen Vertrag gesondert zu beantworten ist. Nach der Rechtsprechung liegt die Schwelle für eine derartige Vertragsanpassung sehr hoch. Für beide Seiten gilt also, dass eine Anpassung des Vertrages nur gefordert werden kann, wenn etwa bei fehlender Anpassung eine Seite in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet wäre. Ob es aber z.B. ausreichend ist, dass der Auftragnehmer eine Vertragsanpassung fordern kann, wenn er wegen erschwerter Beschaffung oder verzögerter Bauausführung „nur“ bei einer Baustelle in die Verlustzone gerät, ist hoch umstritten.

Derzeit ist zweifelhaft, dass aufgrund der Pandemie bereits ein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorliegt. Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht statuiert beispielsweise nur Leistungsverweigerungsrechte für Kleinstunternehmen, „wenn in Folge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind“, das Unternehmen die Leistung nicht erbringen kann oder dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre“. Dies spricht im Umkehrschluss derzeit eher dafür, dass der Gesetzgeber beiden Parteien von Verträgen nur eine vorübergehende Einwendung geben will, aber keine weitergehenden Rechte, insbesondere keine Anpassung der Vergütungsansprüche des Auftragnehmers.