Massive Materialengpässe und Preissteigerungen am Bau – wer trägt die Kosten?

In jüngster Zeit ergeben sich in den verschiedensten Bereichen des Bauens erhebliche Lieferverzögerungen und außergewöhnliche Preiserhöhungen. Allgemein wird davon ausgegangen, dass diese Probleme auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sind.  Betroffen sind z.B. Dämmstoffe, Kunststoffprodukte (Kanalrohre, Fensterprofile), Metalle, Bewehrung, Zink, Aluminium und Kupfer in Kabeln, Beschlagteile, etc. Selbst Bauholz wird zu einem knappen Gut, wobei diese Knappheit global auftritt (vgl. dazu z.B. die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 11.04.2021 unter dem Titel „Panik am Holzmarkt“).

Juristische Problemstellung

Der Gesetzgeber ordnet das sogenannte „Beschaffungsrisiko“ dem Bauunternehmer zu. Mit anderen Worten: Kommt es beim Material zu Lieferverzögerungen, ist das grundsätzlich das Risiko des Bauunternehmers, auch wenn er z.B. die entsprechenden Verzögerungen bei der Materiallieferung selbst nicht verschuldet hat.

Auch Preissteigerungen lassen sich zumindest auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung nicht ohne Weiteres weitergeben. Es gab bereits eine vergleichbare Situation bei der Stahlpreisexplosion im Jahr 2004. Hier war die ganz überwiegende Meinung der Auffassung, dass die extremen Steigerungen beim Stahlpreis beim Einkauf durch das Bauunternehmen zu keinem Anspruch auf eine Preisanpassung des Bauunternehmers gegenüber dem Auftraggeber führen. Es gelte der Grundsatz: „Verträge sind einzuhalten“.

Eine Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelung zur Störung der sogenannten Geschäftsgrundlage kam damals nach herrschender Meinung im Regelfall nicht in Betracht. Da der Stahlanteil bei einem Rohbau lediglich 15 % des Gesamtpreises ausmache, könnten selbst ganz erhebliche Stahlpreissteigerungen nicht dazu führen, dass der Gesamtpreis des Bauwerks sich in einem Ausmaß verändere, dass dies für den Bauunternehmer nicht mehr hinnehmbar sei (in früheren Fällen zum Wegfall oder zur Änderung der Geschäftsgrundlage im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise  ging es teilweise um Preissteigerungen für die Gesamtleistung um 100 % und mehr, was die Rechtsprechung dann nicht mehr als zumutbar ansah).

Beurteilung der gegenwärtigen Situation

Zum einen ist im konkreten Fall zu prüfen, ob nicht der Vertrag eine Preisanpassungsmöglichkeit vorsieht. Viele Auftraggeber und Auftragnehmer haben im Hinblick auf die Corona-Pandemie Vertragsklauseln eingeführt, die bei Preissteigerungen infolge höherer Gewalt wie z.B. der Corona-Pandemie zu einer vertraglich geregelten Preisanpassung führen.

Des Weiteren ist zu prüfen, ob angesichts der Vielzahl der betroffenen Bereiche sich nicht der Gesamt-Baupreis derart verändert, dass eine Anwendung über die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt.

Nicht zuletzt ist auch darauf hinzuweisen, dass sich in mehreren Rechtsgebieten (wie z.B. auch dem Mietrecht) zeigt, dass die Rechtsprechung angesichts der globalen Pandemie dazu neigt, die bisherigen Voraussetzungen für eine Anwendung der Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage herabzusetzen. Bauauftragnehmern dürften also derzeit etwas bessere Chancen auf Preisanpassungen einzuräumen sein als in der Stahlpreiskrise im Jahr 2004. Dennoch bleibt die Preisanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage eine mit erheblichen Risiken und Unsicherheiten verbundene „Notlösung“. Bei dem Abschluss von Neuverträgen sollten daher Bauauftragnehmer nach Möglichkeit auf die Vereinbarung von entsprechenden Preisanpassungsregeln (bspw. Preisgleitklauseln) achten.

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in Ausgabe 144 des ImmobilienReport Metropolregion Rhein-Neckar.