Erhöhte Sorgfaltspflichten zugunsten von Mensch und Umwelt – Das Lieferkettengesetz kommt!

Nach langen Vorbereitungen wurde am 22. April 2021 nun der Entwurf des Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, das sog. Sorgfaltspflichtengesetz, im Bundestag behandelt (BT-Drs. 19/28649). Im Anschluss an die Debatte im Bundestag wurde der Entwurf zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. Im öffentlichen Diskurs wird üblicherweise vom „Lieferkettengesetz“ gesprochen.

Hintergründe und Zielsetzung des Gesetzesentwurfs

Ziel des Lieferkettengesetzes ist ausweislich der Gesetzesbegründung die Verbesserung der internationalen Menschenrechtslage. Diese soll dadurch bewirkt werden, dass Anforderungen an ein verantwortliches Management von Lieferketten für bestimmte Unternehmen festgelegt werden.

Mit dem Gesetzesentwurf erfüllt die Bundesregierung eine Verpflichtung aus dem Koalitionsvertrag 2018. In diesem hatte sie sich verpflichtet, eine unternehmerische Sorgfaltspflicht für Lieferketten per Gesetz einzuführen, wenn sich die Mehrheit der deutschen Unternehmen nicht bis zum Jahr 2020 freiwillig selbst verpflichtet, Prozesse entsprechend der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zu etablieren. Eine Überprüfung dieser freiwilligen Selbstverpflichtung ergab, dass 2019 lediglich 20 Prozent sowie 2020 lediglich 17 Prozent der befragten Unternehmen diesen Anforderungen entsprachen. Der von der Bundesregierung gesetzte Zielwert von mindestens 50 Prozent wurde somit deutlich verfehlt. Mit dem Lieferkettengesetz sollen die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der UN daher nun verbindlich umgesetzt werden.

Für wen und ab wann?

Ab 01.01.2023 sollen die Anforderungen des Lieferkettengesetzes nach dem aktuellen Entwurf für Unternehmen mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz oder satzungsmäßigem Sitz im Inland gelten, wenn sie mindestens 3.000 Beschäftigte in Deutschland haben. Ab 01.01.2024 wird diese Schwelle gesenkt und die Regelungen gelten sodann für Unternehmen bereits ab einer Beschäftigtenzahl von 1.000 Beschäftigten in Deutschland. Leiharbeitnehmer werden bei dem Entleihunternehmen berücksichtigt, wenn deren Einsatzdauer dort 6 Monate übersteigt. Bei verbundenen Unternehmen werden Arbeitnehmer sämtlicher konzernangehöriger Gesellschaften der Konzernmutter zugewiesen.

Einführung von Sorgfaltsanforderungen

Die betroffenen Unternehmen werden durch das Lieferkettengesetz maßgeblich dazu verpflichtet, zu ermitteln, inwieweit ihre Geschäftstätigkeit zu Menschenrechtsverletzungen oder der Verletzung bestimmter umweltbezogener Pflichten führt. Die enthaltenen Sorgfaltspflichten erstrecken sich dabei grundsätzlich auf die gesamte Lieferkette. Sie umfassen insbesondere die Einrichtung eines Risikomanagements und die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen. Unternehmensintern ist die Verpflichtung zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten im Rahmen einer Grundsatzerklärung zu verabschieden und deren Einhaltung durch geeignete Präventionsmaßnahmen zu sichern. Diese sind dabei jedoch nicht nur im eigenen Geschäftsbereich zu treffen, sondern auch gegenüber unmittelbaren Zulieferern. In Bezug auf unmittelbare Zulieferer ist dabei insbesondere die sorgfältige Auswahl des Vertragspartners sicherzustellen. Auch sind geeignete vertragliche Regelungen zu treffen, die den Vertragspartner zur Einhaltung aller Anforderungen verpflichten und dem Unternehmen diesbezüglich Kontrollbefugnisse einräumen. Kommt es zu einer Rechts- bzw. Pflichtverletzung im eigenen Unternehmen oder bei unmittelbaren Zulieferbetrieben ist das Unternehmen zu Abhilfemaßnahmen verpflichtet. Erhalten Unternehmen Kenntnis von möglichen Verletzungshandlungen mittelbarer Zulieferer sind sie gehalten, erforderliche Präventionsmaßnahmen gegenüber dem Verursacher zu ergreifen.

Weiterhin haben Unternehmen ein Beschwerdeverfahren einzurichten, das Betroffenen eine Anlaufstelle bietet und sind einer Dokumentationspflicht unterworfen. Es ist jährlich ein Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten im vergangenen Geschäftsjahr zu erstellen. Von wesentlicher Bedeutung ist dabei, dass dieser Bericht nicht nur der zuständigen Behörde übermittelt werden muss. Er ist auch auf der Internetseite des Unternehmens für einen Zeitraum von sieben Jahren kostenfrei öffentlich zugänglich zu machen. Es ist davon auszugehen, dass diese Berichte sowohl für Geschäftspartner und Kunden, aber auch für Wettbewerber, Investoren, potentielle Mitarbeiter und die Presse von großem Interesse sein werden.

Die Nichteinhaltung der Sorgfaltsanforderungen kann mit einer Geldbuße sanktioniert werden, die bis zu 800.000 Euro sowie im Einzelfall bis zu 2 % des Jahresumsatzes betragen kann. Zudem können Unternehmen von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Zuständige Kontrollbehörde wird das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sein.

Fazit

Der Entwurf des Lieferkettengesetzes wurde in verschiedener Hinsicht kritisch beurteilt. Während einige Kritiker die getroffenen Sorgfaltspflichten bisweilen für zu wenig intensiv halten, sehen andere in den auferlegten Maßnahmen unnötige Bürokratie. Obwohl das Lieferkettengesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll, ist deshalb nicht auszuschließen, dass Änderungen noch Eingang finden werden und sich der Prozess weiter verzögert. Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen könnten, sollten dennoch frühzeitig Vorsorge für eine mögliche Geltung ab 2023 oder 2024 treffen. Dabei ist insbesondere die Überprüfung der bestehenden Vertragsbeziehungen sinnvoll. Hierdurch können ggf. frühzeitig mögliche Risiken in der Lieferkette identifiziert und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung einer Sorgfaltspflichtverletzung getroffen werden. Beispielweise durch vertragliche Verpflichtungen oder ggf. auch durch den Wechsel eines Vertragspartners.