BGH erweitert Zuständigkeit des Aufsichtsrats einer AG für den Abschluss von Rechtsgeschäften mit (zukünftigen) Vorstandsmitgliedern

Mit seinem Urteil vom 15. Januar 2019 (II ZR 392/17) hat der BGH die umstrittene Frage entschieden, ob § 112 Satz 1 AktG, der die Vertretung der AG gegenüber einem Vorstandsmitglied durch den Aufsichtsrat regelt, entsprechend gilt, wenn die AG ein Geschäft mit einer Gesellschaft abschließt, deren Alleingesellschafter ein Vorstandsmitglied der AG ist.

Zugrundliegender Sachverhalt

Die klagende AG schloss am 18.9.2013 mit einer GmbH einen „Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag“ über deren Geschäftsanteile an einer weiteren GmbH. Im Vertrag war vorgesehen, dass der Alleingesellschafter der Verkäuferin eine Vorstandsposition bei der AG übernehmen sollte. Die Abtretung der Geschäftsanteile war nach den vertraglichen Vereinbarungen u.a. durch den Abschluss eines Vorstandsdienstvertrages der Klägerin mit dem Alleingesellschafter aufschiebend bedingt. Bei Abschluss des Vertrages wurde die AG durch einen Bevollmächtigten ihres Vorstands vertreten.

Ebenfalls am 18.9.2013 wurde in einer Aufsichtsratssitzung der Klägerin die Bestellung des Alleingesellschafters zum Vorstand der AG beschlossen und der Aufsichtsratsvorsitzende ermächtigt, den Vorstandsdienstvertrag abzuschließen. Die Unterzeichnung des Vorstandsdienstvertrages fand noch am selben Tag statt.

Die Klägerin verlangt Rückabwicklung des Kaufvertrages, da dieser wegen Verstoßes gegen § 112 Satz 1 AktG nichtig sei.

Maßgebliche Entscheidungsgründe

Der BGH entschied, dass der „Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag“ wegen Verstoßes gegen § 112 Satz 1 AktG nichtig sei und sprach der AG daher einen Rückzahlungsanspruch zu.

  • 112 Satz 1 AktG schreibt vor, dass bei Verträgen zwischen der AG und einem Vorstandsmitglied die AG durch den Aufsichtsrat vertreten werden muss. Der BGH weitet diesen Anwendungsbereich durch seine Entscheidung jedoch aus und stellt fest, dass dies nicht nur bei Verträgen der AG mit einem Vorstandsmitglied selbst, sondern darüber hinaus auch bei Rechtsgeschäften mit einer anderen Gesellschaft gilt, deren alleiniger Gesellschafter ein Vorstandsmitglied ist.

Hier wird der Vertrag zwar nicht unmittelbar mit einem Vorstandsmitglied geschlossen, die Situation sei jedoch vergleichbar. Entscheidend sei, dass das Vorstandsmitglied durch seine Stellung als Alleingesellschafter die Geschicke der Gesellschaft alleine bestimmen könne und deshalb mit der Gesellschaft gleichzustellen sei.

Hauptzweck der Vertretung der AG durch den Aufsichtsrat bei Verträgen mit Vorstandsmitgliedern ist die Vermeidung von Interessenkollisionen und die Gewährleistung einer von sachfremden Erwägungen unbeeinflussten Vertretung der AG gegenüber Vorstandsmitgliedern. Auch im Falle wirtschaftlicher Identität zwischen dem Vertragspartner der AG und einem Vorstandsmitglied bestehe zumindest eine abstrakte Gefahr einer nicht unbefangenen Vertretung.

In der Praxis führt diese Erweiterung auch auf Ein-Personen-Gesellschaften zu einem gewissen Widerspruch, da innerhalb der AG der Vorstand für unternehmerische Entscheidungen zuständig ist und diese Zuständigkeit nicht auf den Aufsichtsrat übertragen werden dürfen. Allerdings sei dieser Widerspruch aufgrund der sonstigen Gefahr der Umgehung des § 112 Satz 1 AktG und dessen Schutzzwecks hinzunehmen.

Zuletzt stellte der BGH noch klar, dass unerheblich sei, ob der Zeitpunkt der Bestellung des Alleingesellschafters zum Vorstand der AG vor oder nach dem Abschluss des Vertrages liege. Insofern sei auch für Verträge mit zukünftigen Vorstandsmitglieder der Aufsichtsrat zuständig, sofern das Rechtsgeschäft im Vorfeld der geplanten Bestellung zum Vorstand abgeschlossen werde und mit dieser Bestellung im Zusammenhang stehe.

Fazit

Das Urteil des BGH klärt eine äußerst praxisrelevante Frage, über deren Beantwortung zuvor zwischen mehreren Oberlandesgerichten Uneinigkeit bestand. Die durch den BGH festgestellte Nichtigkeit eines Vertrages führt in der Praxis zu teils immensen Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung. Hierauf sollte besondere Rücksicht genommen werden. Auch, dass geplante Bestellungen von Vorstandsmitgliedern hiervon umfasst sind, muss bei zukünftigen Vertragsgestaltungen beachtet werden.

Bisher nicht geklärt ist die Frage, ob § 112 Satz 1 AktG auch für solche Fälle gelten soll, in denen das Vorstandsmitglied zwar nicht Alleingesellschafter der anderen Gesellschaft ist, aber maßgeblichen Einfluss bspw. als Mehrheitsgesellschafter hat. Zumindest im Bereich eines beherrschenden Einflusses des Vorstandsmitglieds der AG auf die andere Gesellschaft dürfte eine dem Alleingesellschafter vergleichbare Lage anzunehmen sein.