BAG stärkt Rechte kirchlicher Arbeitnehmer – und schließt sich erneut EuGH an

Ein jahrelanger Streit, der sowohl national als auch supranational bereits sämtliche denkbaren Instanzen beschäftigt hat, scheint nun endlich sein Ende gefunden zu haben. Mit seinem Urteil vom 20. Februar 2019 (Az. 2 AZR 746/14) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate eine weitreichende Entscheidung zum kirchlichen Arbeitsrecht und damit für rund 1,4 Millionen Beschäftigte kirchlicher Arbeitgeber in Deutschland gefällt. Über die vorangegangene Entscheidung des BAG vom 25. Oktober 2018 (Az. 8 AZR 501/14) hatten wir bereits berichtet.

Hintergrund des extensiven Rechtsstreits ist die Klage eines Chefarztes gegen eine Kündigung, die ihm sein Arbeitgeber – ein kirchlicher Krankenhausträger – aufgrund dessen Scheidung und Wiederheirat unter Verweis auf das katholische Verständnis von der Unauflöslichkeit der Ehe im Jahr 2009 ausgesprochen hatte. Die Kirche sah in der Wiederheirat einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß, welcher nach der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ eine Kündigung rechtfertige.

Nachdem erst das Arbeitsgericht und anschließend das Landesarbeitsgericht Düsseldorf dem Mediziner Recht gaben, hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Kündigung 2011 erstmals als diskriminierend und damit unwirksam qualifiziert. Im konkreten Fall läge eine Ungleichbehandlung vor, weil der Krankenhausträger an nichtkatholische Ärzte in gleicher Position solche Anforderungen an die Lebensführung nicht stelle.

Das Bundesverfassungsgericht sah dies in seiner Entscheidung vom 22. Oktober 2014 (Az. 2 BvR 661/12) anders und urteilte, die Entscheidung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts verletze das Selbstbestimmungsrecht der Kirche.

Im September 2018 (Az. C-68/17) entschied dann auch der Europäische Gerichtshof über den bekannten Fall des Chefarztes und bestätigte die Rechtsauffassung des BAG: Katholische Arbeitgeber dürften von katholischen Führungskräften kein sittenstrengeres Privatleben verlangen als von nichtkatholischen. Dies stelle eine unzulässige Diskriminierung wegen der Religion dar. Eine Ungleichbehandlung zwischen Beschäftigten sei nur dann gerechtfertigt, wenn diese im konkreten Fall „eine berufliche Anforderung (darstelle), die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Kirche oder Organisation wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht“. Von einem Chefarzt erwarte der Patient aber – anders als von einem Geistlichen – medizinische Fähigkeiten und gerade kein sittenstrenges Privatleben.

Dem folgend hat das BAG dem Chefarzt in der oben genannten Entscheidung erneut Recht gegeben und die Kündigung als unwirksam angesehen.

Ausblick

Für pastorale Mitarbeiter wird sich auch durch diese Entscheidung nicht viel ändern. Änderungen sind vielmehr in den Bereichen zu erwarten, in denen mit einer Tätigkeit nicht automatisch die Identifikation mit einer bestimmten Glaubens- und Sittenlehre verbunden ist und damit insbesondere für Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen wie Krankenhäuser. Für deren Tätigkeit ist die Einhaltung kirchlicher Glaubenssätze nämlich in der Regel nicht „wesentlich und gerechtfertigt“.

Daher sind Differenzierungen nach wie vor dort möglich, wo Mitarbeiter eine besondere Nähe zum Verkündungsauftrag haben. Für alle anderen Arbeitnehmer bleibt es den Kirchen überlassen, Loyalitätsanforderungen zu formulieren, soweit diese nicht nach der Religion differenzieren.

Bereits im Jahr 2015 hat die Kirche die auf die Arbeitsverhältnisse anwendbare Grundordnung modifiziert sowie liberalisiert und damit an die Lebenswirklichkeit vieler ihrer Mitarbeiter angepasst. Seitdem gelten die strengen Loyalitätsanforderungen nur noch für verkündungsnahe kirchliche Berufe.

Zusätzlich stellt diese Entscheidung aber auch klar, dass das kirchliche Arbeitsrecht nicht nur – wie bislang vom Bundesverfassungsgericht gefordert – einer eingeschränkten Missbrauchskontrolle untersteht, sondern vielmehr einer echten Rechtmäßigkeitskontrolle. Dies bedeutet, dass staatliche Gerichte zukünftig prüfen können, ob für eine bestimmte Tätigkeit die kirchlichen Vorgaben eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ darstellen.