Außerordentliche Kündigung wegen der Entwendung von Desinfektionsmittel

Während sich die Arbeitsgerichte in der Vergangenheit bereits mit den verschiedensten Kündigungssachverhalten – von der Unterschlagung von Pfandbons bis hin zum Verzehr von Bienenstichkuchen, Hirtenfladenbelag oder auch Wiener Würstchen – auseinandersetzen mussten, hat die Corona-Pandemie ein neues Objekt der Begierde geschaffen: Desinfektionsmittel.

Sachverhalt

Mit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 stellte die Arbeitgeberin ihren Mitarbeitern Desinfektionsmittel zur Nutzung im Betrieb zur Verfügung. Unter Beachtung der Corona-bedingten Knappheit von Desinfektionsmitteln betrug der Wert einer 1-Liter Flasche Desinfektionsmittel zu diesem Zeitpunkt ca. 40 EUR. Ende März 2020 entwendete der seit etwa 16 Jahren als Lagerarbeiter beschäftigte Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit eine solche 1-Liter Flasche Desinfektionsmittel sowie eine Rolle Handtuchpapier seiner Arbeitgeberin. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hielt die außerordentliche Kündigung in seiner Entscheidung vom 14. Januar 2021 (Aktenzeichen 5 Sa 483/20) für wirksam. Der Arbeitnehmer habe das Desinfektionsmittel dem Zugriff der Arbeitgeberin und seiner Kollegen entzogen und damit eine schwere Pflichtverletzung begangen, die geeignet sei, einen wichtigen Grund zur Kündigung zu bilden. Das Gericht betonte dabei, dass es auf die strafrechtliche Wertung, ob es sich bei der Entwendung des Desinfektionsmittels und des Handtuchpapiers um einen Diebstahl handelt, nicht ankomme. Die Vertragsverletzung liege vielmehr darin, dass der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin das Desinfektionsmittel entzogen sowie die anderen Arbeitnehmer vom Gebrauch ausgeschlossen und ihnen die Nutzung des Mittels unmöglich gemacht habe. Das Fehlverhalten sei derart schwerwiegend, dass eine vorherige Abmahnung entbehrlich sei. Im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigte das LAG zulasten des Arbeitnehmers, dass er rücksichtslos seine Eigeninteressen über die Interessen der Arbeitgeberin und seiner Kollegen stellte und dabei selbst Gesundheitsgefährdungen in Kauf nahm. Auch der Wert des Desinfektionsmittels könne nicht zugunsten des Arbeitnehmers in die Interessenabwägung eingestellt werden, da es sich aufgrund des damaligen Wiederbeschaffungswerts von ca. 40 EUR infolge der sehr eingeschränkten Verfügbarkeit von Desinfektionsmittel im Frühjahr 2020 nicht um eine nur geringwertige Sache gehandelt habe.

Fazit

Die Entscheidung des LAG Düsseldorf reiht sich in die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zur Entwendung von Arbeitgebereigentum ein. Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung überrascht insoweit kaum. Das LAG Düsseldorf hat durch die Verneinung der Geringwertigkeit indes eine klare Abgrenzung zu den sonstigen, oben beispielhaft genannten Bagatellfällen vorgenommen. Die Entscheidung zeigt auf, dass die Bagatellgrenze jedenfalls bei 40 EUR überschritten ist und die Geringwertigkeit anhand des jeweils zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Marktwerts zu bestimmen ist. Eine pauschalisierende Aussage über die Geringwertigkeit von Desinfektionsmittel lässt sich wegen des lediglich situations- bzw. pandemiebedingt hohen Werts des Desinfektionsmittels im Frühjahr 2020 aufgrund der Entscheidung des LAG daher nicht treffen.