Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Situation zu Erkrankungen mit dem neuartigen Corona-Virus (COVID-19) zwischenzeitlich zu einer Pandemie erklärt. Für Arbeitgeber stellt sich zwangsläufig die Frage, welche Folgen das Virus auf die Arbeitsverhältnisse hat. Antworten auf ausgewählte Fragen haben wir für Sie im Folgenden zusammengefasst:
Dürfen Arbeitgeber bei einem Corona-Verdacht eine ärztliche Untersuchung des Mitarbeiters anordnen?
Das Direktionsrecht des Arbeitgebers wird durch das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht begrenzt. Anordnungen dürfen grundsätzlich nicht in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers eingreifen. Daher müssen Arbeitnehmer einer Anordnung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, in der Regel nicht nachkommen. Ebenso wird der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht verpflichten können, sich – bei Vorhandensein eines Impfstoffes – impfen zu lassen.
Welche Melde- und Informationspflichten bestehen bei einem Corona-Verdacht bzw. einem bestätigten Corona-Fall im Unternehmen?
Damit der Arbeitgeber das Risiko einer Infektion besser einschätzen kann, ist der Arbeitnehmer zur Auskunft darüber verpflichtet, ob er in einem Risikogebiet war oder nicht. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber den übrigen Arbeitnehmern sowie gegebenenfalls seine Schutzpflicht Kunden und Geschäftspartnern gegenüber erlaubt es dem Arbeitgeber auch nach ansteckenden Krankheiten oder nach Kontakt zu infizierten Personen zu fragen. Aus Datenschutzgründen ist der Arbeitnehmer aber in der Regel nicht verpflichtet, nähere private Informationen preiszugeben, sondern kann auch mit einem schlichten „Ja“ oder „Nein“ auf solche Fragen antworten.
Aufgrund der hohen Ausbreitungsgefahr des Corona-Virus ist eine Infektion im Betrieb bei der zuständigen Gesundheitsbehörde meldepflichtig. Auch die restliche Belegschaft sollte über den Erkrankungsfall umgehend informiert werden, um mögliche Kontaktpersonen zügig zu identifizieren. Obwohl hierdurch personenbezogene Daten verarbeitet werden, steht dies unseres Erachtens der Informationspflicht des Arbeitgebers nicht entgegen.
Inwieweit muss der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht durch z.B. die Ausstattung des Betriebes mit Desinfektionsmitteln, Mundschutz, usw. nachkommen?
Der Arbeitgeber muss über mögliche Gesundheitsgefahren unterrichten, über innerbetriebliche Schutzmaßnahmen aufklären und alle ihm zumutbaren hygienischen Schutzvorkehrungen treffen.
Ob in diesem Rahmen Schutzausrüstungen wie Desinfektionsmittel, Atemschutzmasken und Handschuhe zur Verfügung gestellt werden müssen, hängt von der Eigenart des jeweiligen Betriebes und der Anzahl der Beschäftigten ab.
Darf der Arbeitgeber einseitig Urlaub bzw. Freizeitausgleich anordnen?
Im Rahmen der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht sollten der betroffene Mitarbeiter und die unmittelbaren Kontaktpersonen im Betrieb bis zum Untersuchungsergebnis freigestellt werden. Die Freistellung hat unter Fortzahlung der Vergütung zu erfolgen. Von der Freistellung betroffene, arbeitsfähige Arbeitnehmer sollten zur Vermeidung einer übermäßigen finanziellen Belastung dazu angehalten werden, Freizeitausgleich oder Urlaub zu nehmen.
Zu beachten ist aber, dass Urlaub grundsätzlich – anders als es in der Regel beim Freizeitausgleich der Fall ist – nicht einseitig vom Arbeitgeber angeordnet werden kann. Der Fall einer Pandemie stellt keine „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ dar, die eine einseitige Urlaubsfestsetzung ausnahmsweise rechtfertigen könnten. Gleiches gilt für den Extremfall einer Betriebsschließung, da diese dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zugeordnet wird.
Ist es zulässig, gegenüber den verbleibenden Mitarbeitern Überstunden anzuordnen?
In vielen Fällen ist eine Betriebsschließung zwar aus Infektionsschutzgründen gar nicht erforderlich. Dennoch droht durch den Ausfall eines Großteils der Arbeitnehmer (Ausfall von Grenzgängern; Ausfall von Mitarbeitern, die Kinder versorgen müssen bzw. die sich infiziert haben bzw. die Kontaktpersonen von Infizierten sind, usw.) eine Betriebsunterbrechung. Abhilfe schafft hier die Möglichkeit, Überstunden anzuordnen, um den Betrieb mit den verbliebenen arbeitsfähigen Mitarbeitern aufrechtzuerhalten. Es dürfte ein sog. „außergewöhnlicher Fall“ im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) vorliegen, wodurch Abweichungen von den Regelungen des ArbZG möglich werden. Vorsorglich kann auch ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gestellt werden.
Für die Arbeitnehmer besteht in diesem Fall eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Leistung von Überstunden. Besteht keine arbeits- oder kollektivvertragliche Bestimmung über die Bezahlung der Überstunden, schuldet der Arbeitgeber für die geleisteten Überstunden die Grundvergütung.
Darf der Mitarbeiter aus Angst vor Ansteckung angeordnete Dienstreisen oder sonst die Arbeit verweigern bzw. auf Home Office bestehen?
Ist ein Arbeitnehmer vertraglich dazu verpflichtet, Dienstreisen zu unternehmen, kann der Arbeitgeber diese im Rahmen seines Weisungsrechts auch weiterhin anordnen. Das Weisungsrecht unterliegt allerdings „billigem Ermessen“, so dass die Anordnung einer Dienstreise in ein Risikogebiet nicht mehr vom Weisungsrecht umfasst sein dürfte und somit verweigert werden kann.
Ein Leistungsverweigerungsrecht – in Abgrenzung zur unzulässigen Arbeitsverweigerung – besteht hinsichtlich sonstiger Tätigkeiten nur dann, wenn die Ausübung der Tätigkeit mit einer objektiv erheblichen persönlichen Gefahr für Gesundheit und Leben verbunden ist und über das allgemeine Ansteckungsrisiko hinausgeht. Diese Grenze wird jedoch nicht allzu schnell überschritten sein. Insbesondere wenn der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht genügt und rechtzeitig erforderliche Maßnahmen des Gesundheitsschutzes einleitet und umsetzt, ist der Arbeitnehmer auf dem Weg zum oder am Arbeitsplatz keinem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt als gewöhnlich. Bleibt der Arbeitnehmer dennoch der Arbeit fern, kann der Arbeitgeber arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung ziehen.
Ein Recht auf Home Office besteht grundsätzlich nicht. Etwas anderes gilt nur, wenn Home Office vertraglich vereinbart wurde oder der Arbeitgeber dies ausdrücklich für zulässig erklärt. Soweit weder der Arbeitsvertrag noch eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag die Möglichkeit zu Home Office eröffnet, kann andererseits auch der Arbeitgeber dieses nicht einseitig anordnen.
Schuldet der Arbeitgeber Vergütung, wenn für Mitarbeiter Quarantäne angeordnet wurde?
Wird der Mitarbeiter durch eine öffentliche Stelle in Quarantäne geschickt, hat der Arbeitgeber nach dem Infektionsschutzgesetz Verdienstausfall für die Dauer von maximal sechs Wochen als Entschädigung zu zahlen. Er kann sich die Vergütung hierfür allerdings von der zuständigen Behörde erstatten lassen.
Wie ist die Rechtslage, wenn Kindergärten und Schulen schließen?
Kann die Betreuung der Kinder nicht anderweitig sichergestellt werden (z.B. Betreuung durch anderen Elternteil) und ist eine Beaufsichtigung oder Betreuung aufgrund des Kindesalters geboten, darf der Mitarbeiter nach dem Gesetz für eine „nicht erhebliche Zeit“ der Arbeit bezahlt fernbleiben. Eine „nicht erhebliche Zeit“ dürfte jedenfalls bei einem Zeitraum von einer Woche zu bejahen sein. In vielen Arbeits- und Tarifverträgen ist die maßgebliche gesetzliche Regelung jedoch in zulässiger Weise abbedungen, so dass Mitarbeiter nur einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung zur Versorgung ihrer Kinder erhalten. Hier kommt es auf den konkreten Einzelfall an.
Kann der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnen?
Für den Fall ausbleibender Aufträge oder fehlender Zulieferungen ist die Anordnung von Kurzarbeit möglich, sofern diese zulässig ist. Ggf. sollten Arbeitgeber schnell reagieren, um die hierfür erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Dies kann durch eine Änderung der Arbeitsverträge, durch Betriebsvereinbarung oder mittels tariflicher Regelungen erfolgen.
Durch Bezug von Kurzarbeitergeld kann der Lohnausfall der Mitarbeiter teilweise ausgeglichen werden. Die Bundesregierung hat hierzu kürzlich den Zugang zum Kurzarbeitergeld betroffener Beschäftigter erleichtert. Rückwirkend zum 1. März soll dieses schon zur Verfügung stehen, wenn nur 10 % der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind, ohne dass zuvor zwingend sämtliche Arbeitszeitsalden aufgebraucht sein müssen. Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt darüber hinaus nicht nur Lohnkosten (67% bzw. 60% des Nettoentgeltausfalls), sondern auch alle Sozialversicherungsbeiträge.