Welche Bindungswirkungen entfaltet ein (gemeinsam genommenes) Aufmaß?

Für die Erstellung der Schlussrechnung bei sog. Einheitspreisverträgen muss zuvor festgestellt werden, welche Leistungen tatsächlich erbracht wurden (Mengen je Position). Hierbei kann das sog. Aufmaß sowohl von einer Partei (zumeist dem Auftragnehmer, da er darauf basierend die Schlussrechnung erstellt), als auch gemeinsam durch beide Parteien genommen werden. Inwieweit nunmehr ein (gemeinsames) Aufmaß Bindungswirkungen entfaltet, hat das OLG Brandenburg am 20.07.2023 durch Urteil entschieden (Az. 10 U 14/23).

Sachverhalt

Die Auftraggeberin beauftragte die Auftragnehmerin mit Baumfällarbeiten in der Nähe einer Straße, um ein Baufeld frei zu machen. Im Leistungsverzeichnis wurde insb. zwischen „Waldbäumen“ (günstig bzw. kostenlos) und „Straßenbäumen“ (kostenintensiver) unterschieden. Die genaue Zuordnung der Bäume zu den Leistungspositionen, ob durch Aufwand der Baumfällarbeiten oder Lokalisierung der Bäume war zwischen den Parteien streitig. Bei der Erstellung des Aufmaßes wurden neben der Menge der gefällten Bäume jeweils die Ordnungsziffern zumindest einer Leistungsverzeichnisposition sowie deren Kurzbezeichnung festgehalten (mehr „Straßenbäume“ und weniger „Waldbäume“ als im Angebot kalkuliert). Hierbei war ein externer Sachverständiger der Auftraggeberin anwesend. Ein Muster für Aufmaßblätter aus dem Handbuch für Vergabe und Ausführung von Bauarbeiten im Straßen- und Brückenbau (HVA-B-StB) wurde hierfür ausgefüllt. Die Auftragnehmerin erstellte basierend auf dem Aufmaß und der Zuordnung zu Leistungspositionen die Schlussrechnung. Diese wurde von der Auftraggeberin geprüft und gekürzt. Die Kürzungen beruhen unter anderem auf der von den Aufmaßblättern abweichenden Zuordnung zu den Leistungspositionen (weniger „Straßenbäume“ und mehr „Waldbäume“ als in dem Aufmaß festgehalten). Den Restwerklohn gemäß ihrer Schlussrechnung klagte die Auftragnehmerin nunmehr ein. Das Landgericht wies die Klage im Wesentlichen ab.

Entscheidung

In zweiter Instanz wurde dies nun bestätigt. Die Auftragnehmerin habe keinen Anspruch auf Restwerklohn. Die Bindungswirkung des Aufmaßes würde nicht über die Feststellung des Umfanges der erbrachten Leistungen hinausgehen! Mit dem gemeinsamen Aufmaß sei regelmäßig nicht zugleich die Feststellung verbunden, dass und wie die Leistung abgerechnet und vergütet werde und ob sie vertragsgemäß sei. Daraus, dass eine Zuordnung zu Positionen des Leistungsverzeichnisses vorgenommen wurde, folge kein Rechtsbindungswille der Auftraggeberin. Insbesondere handele es sich bei den Aufmaßblättern um Muster, so dass es fern liege, dass in all diesen Verträgen vom Grundsatz abgewichen werden solle, dass das Aufmaß nur den Umfang der erbrachten Leistung dokumentiere. Etwas anderes folge auch nicht aus der Anwesenheit des externen Beraters beim Aufmaß. An eine konkludente Zustimmung der Auftraggeberin müsse aufgrund der hohen wirtschaftlichen Trageweite hohe Anforderungen gestellt werden.

Praxishinweis

Möchte ein Auftragnehmer die Zuordnung zu Leistungspositionen im Rahmen der Erstellung des Aufmaßes verbindlich regeln, so sollte dies auch entsprechend (schriftlich und gemeinsam) ausdrücklich festgehalten werden. Zugleich sollte der Auftraggeber, der in der Regel kein Interesse an einer sofortigen Festlegung, sondern vielmehr Interesse an einer nochmaligen Prüfmöglichkeiten hat, trotz der obigen Entscheidung, Zuordnungen der Leistungen zu Leistungspositionen eher meiden. Die obige Entscheidung ist aufgrund der Verwendung eines „offiziellen“ Musters nicht uneingeschränkt verallgemeinerungsfähig.

Trotz der obigen Entscheidung können solche weiteren Umstände, insbesondere auch handschriftliche Notizen oder Änderungen auf Wunsch des Auftraggebers in einem Vordruck, im Einzelfall für einen Rechtsbindungswillen sprechen. Eine spätere „Korrektur“ dieser Ergänzungen im Rahmen der Schlussrechnung wäre unter Umständen dann nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich. Letztlich bleibt jedoch festzuhalten, dass auch bei einem gemeinsamen Aufmaß die tatsächlichen Feststellungen in einem gewissem Umfang verbindlich werden. Wer etwas anderes als das Festgelegte behauptet ist hierfür darlegungs- und beweisbelastet.

Der Beitrag ist zuerst erschienen im ImmobilienReport Meropolregion Rhein-Neckar, Ausgabe 170.