Nachdem letzte Woche Friedrich Merz mit etwas Mühen zum neuen Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden ist, macht es Sinn, den zwischen SPD und CDU/CSU abgeschlossenen Koalitionsvertrag auch hinsichtlich des Bereichs des Außenwirtschaftsrechtes etwas genauer zu betrachten.
Paradigmenwechsel?
Unter Rn. 290ff heißt es dort: „Wir werden die Ausfuhrgenehmigungsprozesse vereinfachen und beschleunigen. Unser Ziel ist ein Paradigmenwechsel. Anstelle von durchgängigen Prüfungen streben wir stichprobenartige Kontrollen verbunden mit empfindlichen Strafen bei Verstößen an. Eine vorherige Exportgenehmigung wäre nicht mehr erforderlich. …“.
Insoweit stellt sich die Frage, was hiermit tatsächlich gemeint sein soll.
Dual-Use-Güter
Für den Bereich der Dual-Use-Güter sieht die insoweit einschlägige EU-Verordnung 2021/821 („Dual-Use-VO“) eine Genehmigungspflicht für alle Ausfuhren von Dual-Use-Gütern vor. Auch wenn das Verwaltungsverfahren (Genehmigungsverfahren) den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten obliegt, wäre es nicht zulässig, dass Deutschland zukünftig einfach auf die Erteilung von Genehmigungen verzichtet und damit Ausfuhren ohne Genehmigungen zulässt – Deutschland kann nicht einseitig die EU-Verordnung ändern.
Rüstungsgüter
Nach der deutschen Außenwirtschaftsverordnung sind Ausfuhren und Verbringungen von Rüstungsgütern genehmigungspflichtig. Zwar könnte der deutsche Gesetzgeber solche nationalen Vorschriften theoretisch ändern und somit auf eine Genehmigungspflicht insoweit verzichten. Allerdings haben sich die EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik auf Grundsätze für Genehmigungen im Hinblick auf die Ausfuhr von Militärgütern geeinigt (2008/944/GASP) – gegen diese gemeinsamen Regeln für Ausfuhrgenehmigungen verstieße ein Verzicht auf eine Genehmigungspflicht in Deutschland.
Beurteilungsspielraum der BAFA
Zudem wären Ausfuhren von Dual-Use-Gütern oder Rüstungsgütern ohne Ausfuhrgenehmigungserfordernis sicherlich auch nicht wünschenswert.
Gäbe es klare Kriterien, bei deren Einhaltung die Ausfuhr ohne weiteres zulässig ist, so wäre es prinzipiell denkbar, den exportierenden Unternehmen die Pflicht zur eigenständigen Prüfung aufzuerlegen und dafür auf eine Genehmigungspflicht zu verzichten. Bei Exporten von Rüstungs- und Dual-Use-Gütern sind hingegen eine Vielzahl von außen – und sicherheitspolitischen Belangen zu berücksichtigen und miteinander abzuwägen wie z.B. die Sicherheitsinteressen und auswärtige Beziehungen Deutschlands, das friedliche Zusammenleben der Völker, der Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Deutschland und anderen EU-Mitgliedsstaaten – und der Grad der Gefährdung dieser Belange durch das konkrete Exportvorhaben. Deshalb kommt der Genehmigungsbehörde (BAFA) bisher stets auch ein weiter Beurteilungsspielraum bei der Entscheidung über die Erteilung einer Exportgenehmigung zu; dabei kann diese auf nicht-öffentliche Informationsquellen (z.B. Geheimdienstdaten) zurückgreifen. Eine derart komplexe Abwägung kann von dem exportierenden Unternehmen – schon mangels ausreichender Informationen – nicht sachgerecht vorgenommen werden.
Fazit
Die Vorgabe des Koalitionsvertrages wird deshalb in dieser Pauschalität nicht umsetzbar sein. Es wäre allenfalls denkbar, dass in größerem Umfang weitere Allgemeingenehmigungen geschaffen werden. Für typisierte Sachverhalte, die in solchen Allgemeingenehmigungen beschrieben sind (z.B. Ausfuhren/ Verbringungen für Messeteilnahmen, von geringwertigen Gütern oder in bestimmte Länder) gilt die Genehmigung als erteilt, wenn die jeweils geltenden Bedingungen eingehalten sind. Eines Genehmigungsverfahrens beim BAFA bedarf es dann nicht mehr. Ein Paradigmenwechsel ist dies allerdings nicht. Zudem ist der Umfang der Allgemeingenehmigungen (derzeit 30 deutsche und 8 auf EU-Ebene) seit dem letzten Jahr schon wesentlich erweitert worden.
Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Schritte nun folgen, um das lobenswerte Ziel schnellerer und einfacher Genehmigungsprozesse auch tatsächlich Wirklichkeit werden zu lassen oder ob es bei wohlklingenden Ankündigungen bleibt.