Verletzt der Auftraggeber durch die Weiterbenutzung einer mangelhaften Sache seine Schadensminderungspflicht?

Problemstellung

Weiternutzen oder nicht weiternutzen? Beseitigen oder nicht beseitigen? Pest oder Cholera? Skylla oder Charybdis? Oft stehen die von Bau- und Werkmängeln Betroffenen vor einem vergleichbaren Dilemma. Während die Nichtnutzung oft Kosten verursacht (insbes. Nutzungsausfallschäden, Kosten für Deckungsgeschäfte etc.) und eine Reparatur die Beweislage beeinträchtigen könnte, könnte eine Weiternutzung ohne Reparatur ggf. hohe Folgeschäden verursachen. Die jüngst durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde (BGH Beschl. v. 04.12.2024 – VII ZR 22/24) bestätigte Entscheidung des OLG Koblenz vom 12.07.2023, Az. 13 U 1768/22, betraf einen solchen Fall. Ein Unternehmer hatte im Jahr 1989 eine Heizung mit Warm- und Kaltwasserversorgung im Haus des Bauherrn installiert und dabei die Verbindungsstücke der Kaltwasserleitung derart unzureichend verschraubt, dass seit 2010/2011 bei Nutzung der Anlage Wasser austrat und Schäden am Gebäude verursachte. Nach Vorprozess gegen seine Versicherung im Jahr 2014 verklagte der Bauherr den Unternehmer auf Erstattung des noch nicht regulierten Teils der Schäden.

Bis zur Entscheidung hatte der Bauherr die mangelhafte Leitung nicht reparieren lassen und sie weiter genutzt, obwohl er wusste, dass bei jedem Nutzen erneut Wasser austreten und den Schaden am Gebäude vergrößern würde. Er rechtfertigte dies damit, dass eine vorzeitige Reparatur zur Beweisvereitelung führen und seine Ansprüche gegenüber der Versicherung beschneiden könnte.

Rechtliche Bewertung

Da vertragliche Ansprüche bereits verjährt waren, blieb dem Kläger nur die deliktische Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 1 BGB. Das Gericht hielt diese zwar dem Grunde nach für gegeben, soweit das zunächst nicht vom Mangel betroffene Gebäude beschädigt wurde, kürzte den Anspruch aber nach § 254 Abs. 2 BGB, weil der Kläger grob fahrlässig seine Schadensminderungsobliegenheit verletzt habe, indem er die Leitung unrepariert weiternutzte.

Spätestens nach Besichtigung und Dokumentation des Schadens durch seine Versicherung habe kein zwingender Grund mehr bestanden, die Reparatur der Leitung aufzuschieben. Da der Kläger wusste, dass sich das Schadensbild bei jeder weiteren Nutzung vergrößern würde, hätte es für ihn trotz abweichendem Rat seines Anwalts auf der Hand liegen müssen, dass die Weiternutzung ohne Reparatur gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung verstoßen würde.

Folgerungen für die Praxis

Die Entscheidung zeigt, dass stets das Beweissicherungsinteresse einzelfallbezogen mit dem Interesse an der Weiternutzung und den jeweils bestehenden Schadensrisiken abzuwägen ist Es liegt auf der Hand, dass es unzumutbar wäre, die Wasserversorgung eines Hauses über mehrere Jahre nicht zu nutzen, solange der Rechtsstreit fortdauert. Ebenso auf der Hand liegt aber, dass man im Interesse an dieser Weiternutzung nicht jahrelang sehenden Auges weitere Schäden verursachen und die zu deren Vermeidung dringend gebotene Reparatur aufschieben kann. Grundsätzlich ist zu empfehlen, bei Mängeln möglichst zeitnah eine Feststellung des Schadens und der Schadensursachen mit allen Beteiligten durchzuführen und bis dahin von der Nutzung abzusehen. Auch die Instandsetzung sollte mit allen Beteiligten unter entsprechender Dokumentation und möglichst vollständiger Aufbewahrung der fehlerhaften Bauteile erfolgen. In komplexen Fällen ist ein selbstständiges Beweisverfahren zu empfehlen. Jedenfalls dann, wenn eine Mangelbeseitigung unter fachkundiger Dokumentation ohne Beeinträchtigung des Beweiswertes möglich ist, besteht regelmäßig kein rechtfertigender Grund, die Sache unrepariert weiter zu nutzen. Bewusst in Kauf genommene Schäden einer solchen Nutzung sind regelmäßig selbstverschuldet und daher nicht ersatzfähig.

Der Beitrag ist zuerst erschienen im ImmobilienReport Metropolregion Rhein-Neckar, Ausgabe 189.