Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit

In Folge der Corona-Pandemie haben zahlreiche Betriebe Kurzarbeit eingeführt. In vielen Betrieben wird daher entweder nur noch in einem verringerten Umfang oder überhaupt nicht mehr gearbeitet (sog. Kurzarbeit Null).  Im Mai 2020 befanden sich laut einer Berechnung des ifo-Instituts rund 7,3 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit und damit rund fünfmal so viele Arbeitnehmer wie in der Finanzmarktkrise im Jahr 2009.

In diesem Kontext drängt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Kurzarbeit und Urlaub auf. Allgemein bekannt ist, dass noch vorhandener Urlaub – zumindest aus dem vergangenen Urlaubsjahr – zur Vermeidung von Kurzarbeit einzubringen ist. Den wenigsten ist jedoch bekannt, welche Auswirkungen die Kurzarbeit auf Urlaubsansprüche aus dem laufenden Urlaubsjahr hat.

Während der Kurzarbeit verringert sich in der Regel die Anzahl der Arbeitstage. Entsprechend könnte sowohl der gesetzliche Mindesturlaub, als auch der vertragliche Mehrurlaub ähnlich wie bei einem Teilzeitbeschäftigten anzupassen sein. In Zeiten von „Kurzarbeit Null“ könnte dies dazu führen, dass überhaupt kein Urlaubsanspruch besteht.

Rechtsprechung des EuGH

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat hierzu bereits Ende 2012 in einem Urteil klargestellt, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub – und damit erst recht der Anspruch auf den vertraglichen Mehrurlaub – während der Kurzarbeit anteilig gekürzt werden kann (EuGH, Urt. v. 8. November 2012 – C-229/11 und EuGH, Urt. v. 22. April 2010 – C-486/08).

Zur Begründung führte der EuGH aus, dass die gegenseitigen Leistungspflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die Zeiten der angeordneten Arbeitszeitverkürzung suspendiert sind. Damit reduziere sich nicht nur die Arbeitspflicht, sondern auch der Urlaubsanspruch. Hinzu kommt, dass der Arbeitnehmer die durch Kurzarbeit gewonnene Zeit – ebenso wie bei der Teilzeit – nutzen kann um sich auszuruhen oder Freizeittätigkeiten nachzugehen. Daher seien Arbeitnehmer in Kurzarbeit mit vorübergehend teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern gleichzusetzen, bei denen die Verringerung der Anzahl der Wochenarbeitstage zu einer anteiligen Reduzierung des Urlaubsanspruchs führt.

Deutsches Urlaubsrecht

Die Entscheidung des EuGH betrifft in erster Linie die europäische Rechtslage und schafft lediglich einen Mindestschutz, über den das deutsche Recht hinausgehen kann. Eine Klärung der Rechtslage in Deutschland durch das Bundesarbeitsgerichts (BAG) steht bislang allerdings noch aus.

Vielfach wird vertreten, dass auch nach deutschem Urlaubsrecht eine Kürzung zulässig sei. Die rechtliche Grundlage hierzu liefere der in weiten Teilen des juristischen Schrifttums vertretene Pro-rata-temporis-Grundsatz. Die Zeit der Kurzarbeit sei danach einer Arbeitszeitverkürzung auf Grund eines vertraglich vereinbarten Wechsels von einem Vollzeit- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis gleichzustellen mit der Folge, dass sich der bezahlte Jahresurlaub verringert.

Nach anderer Auffassung soll Kurzarbeit keine Auswirkungen auf die Berechnung des Anspruchs auf bezahlten Erholungsurlaub haben. Der Urlaubsanspruch entstehe nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) unabhängig vom Umfang der tatsächlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Das BUrlG knüpfe das Entstehen des Urlaubsanspruchs nämlich nicht an ein Erholungsbedürfnis, sondern an die in den §§ 1, 4 BUrlG genannten Merkmale, nämlich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der Wartezeit an.

Praxistipp

Mangels Entscheidung des BAG und vor dem Hintergrund, dass auch aus der EuGH-Entscheidung keine automatisch Kürzung des Urlaubsanspruchs folgt, sollte zumindest vorsorglich die anteilige Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Reduzierung der Arbeitszeit infolge Kurzarbeit bzw. der Wegfall des Urlaubsanspruch bei „Kurzarbeit Null“ in einer Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit oder im Arbeitsvertrag geregelt werden. Geregelt werden sollte außerdem, ob die Kürzung nur den gesetzlichen Mindesturlaub oder auch den vertraglichen Mehrurlaub betrifft.

Keinesfalls kann eine solche Regelung aber dazu führen, dass ein Arbeitnehmer, der bereits vor der Anordnung von Kurzarbeit seinen gesamten Jahreserholungsurlaub genommen hat, diesen „nacharbeiten“ oder das ihm ausgezahlte Urlaubsentgelt zurückgewähren muss (§ 5 Abs. 3 BUrlG).

Weil das BUrlG grundsätzlich nicht abdingbar ist, wäre eine vereinbarte Kürzung freilich unwirksam, sollte das BAG eine anteilige Reduzierung bzw. den Wegfall von Urlaubsansprüchen für unvereinbar mit dem BUrlG halten. Es spricht aber vieles dafür, dass eine Reduzierung nach deutschem Recht zulässig sein dürfte.