Rechtsprechungsnovelle an Heilbronner Landgericht

Erneut konnten Sportwettanbieter vor einem Landgericht obsiegen und sich erfolgreich gegen eine der populär gewordenen, sogenannten Spielerklagen wehren. Wer nicht spielsüchtig ist oder dies nicht glaubhaft machen kann, sei nicht vom Schutzzweck der vormaligen Internetverbote für Glücksspiel in Deutschland erfasst und habe daher kein Anrecht auf Rückzahlung der Wettverluste, so das Landgericht Heilbronn.

Fern von den materiell-rechtlichen Erwägungen, die den Vortrag der verklagten Sportwettanbieter unterstreichen, ist das klageabweisende Urteil vom 23.06.2023 besonders vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des entscheidenden Landgerichts bemerkenswert. Hatten die richterlichen Kollegen und Kolleginnen bisher Klagen, die im Heilbronner Gerichtsbezirk landeten, stets stattgegeben, stellt das hier zitierte Urteil einen klaren Bruch dieser Rechtsprechung dar und ist folglich umso erfreulicher. Der differenzierende Ansatz erkennt, dass die Entscheidung über das Erfordernis der Nichtigkeit der Wettverträge „nicht durch gerichtliche Abwägungen oder moralische Werturteile über das Verhalten der Vertragspartner des Rechtsgeschäfts ausgetauscht werden“ könne – „Maßstab [sei] vielmehr, dass der Gesetzeszweck nicht anders erreicht werden kann als durch die Nichtigkeit des verbotenen Rechtsgeschäfts“.

Die Spielerklagen drehen sich zumeist um bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche, mittels derer die Kläger und Klägerinnen die Verluste aus der Beteiligung an Glücksspielen im Internet erstattet verlangen. Darauf folgt dann als Dreh- und Angelpunkt der juristischen Auseinandersetzung die Frage nach der Bestandskraft der zugrundeliegenden Wettverträge. Verstieß das Angebot der Wetten gegen ein gesetzliches Verbot? Führt der Verstoß gegen das gesetzliche Verbot zur Gesamt-Nichtigkeit der Wettverträge?

Genau dies sei hier nicht der Fall. Die streitentscheidenden Verbotsgesetze (§ 4 Abs. 4 GlüStV2008 und § 4 Abs. 4 GlüStV2012) richteten sich nur gegen eine der beiden beteiligten Parteien. Sind nicht alle Beteiligten Adressaten des Verbotsgesetzes folge aus der einseitigen Verletzung dieses Gesetzes eben nicht pauschal und damit entgegen der Behauptungen der Klägerseite, dass der Wettvertrag gänzlich nichtig sei. Dies entspricht stetiger, jahrelanger Rechtsprechung des BGH. Nur wenn obendrein der Schutzzweck des Verbotsgesetzes eine Nichtigkeit des (Wett-)Vertrags und eine daraus resultierende Rückforderbarkeit der Verluste erfordere, müsse den bereicherungsrechtlichen Forderungen stattgegeben werden.

Ausweislich der gesetzgeberischen Erläuterungen zu den Glücksspielstaatsverträgen bezweckten die historisch normierten Internetverbote den Gesundheitsschutz (konkret: Spielsuchtprävention) sowie in Bezug auf die Experimentierklausel zu Internet-Sportwetten die Kanalisierung des Spielbetriebs zum legalisierten Markt. Der Gesundheitsschutz und die Schwarzmarktbekämpfung umfassen aber nicht den Schutz des Vermögens der Spieler und Spielerinnen. „Dies lässt die Vermögensminderung eines jeden Spielers, der nach einer freien Willensentscheidung aufgrund des dem Glücksspiel immanenten Risikos des Verlusts des Wetteinsatzes, diesen auch verliert, aus dem Schutzbereich der Norm fallen. In ihren Schutzbereich fallen allenfalls Vermögensschäden, die ein Spieler aufgrund seines pathologischen Spielens erleidet, was vorliegend nicht unter Beweis gestellt wurde.“Darüber hinaus existierten bereits regulatorische Sanktionsmechanismen, die etwaige Verstöße gegen die Verbote ausreichend ahnden würden. Eine zivilrechtliche und auf dem Gerichtsweg durchzusetzende Bebußung der Anbieter bedürfe es ausweislich der Gesetzesintention gar nicht. Der Zweck der Verbote hätte also auf öffentlich-rechtlichem Wege erreicht werden können, beispielsweise durch Anwendung der in den Glücksspielstaatsverträgen vorgesehenen, aufsichtlichen Maßnahmen.