Klima-Kleber kündigen: (Kein) Handlungsspielraum für Arbeitgeber bei außerdienstlichem Verhalten?

Die Welle der Klimaproteste ebbt nicht ab. Damit rückt auch die neuartige Protestform des „Klima-Klebens“ in den Fokus arbeitsrechtlicher Betrachtung. Arbeitgeber müssen damit rechnen, dass Mitarbeiter an medienwirksamen Protestaktionen teilnehmen. Doch was ist zu tun, wenn sich der eigene Arbeitnehmer in seiner Freizeit an Protesten wie solchen der „letzten Generation“ aktiv beteiligt? Ob und wie auf diese Art des privaten Engagements reagiert werden kann, hängt ganz von den Umständen des Einzelfalls ab.

Der Grundsatz

Arbeitsrechtliche Konsequenzen mit der privaten Lebensführung zu begründen ist nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Denn das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers ist dem Einfluss des Arbeitgebers weitgehend entzogen. Es kann aber Auswirkungen auf das arbeitsvertragliche Schuldverhältnis haben, wenn ein Bezug zu den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen oder der Tätigkeit des Arbeitnehmers besteht und dadurch berechtigte Interessen des Arbeitgebers verletzt werden. Rechtsgrundlage hierfür ist neben dem Arbeitsvertrag auch § 241 II BGB, aus dem sich Rücksichtspflichten zur Interessenwahrung im außerdienstlichen Bereich ergeben können.

Das Problem

Die Hürden zur Bejahung dieses sachlichen Zusammenhangs werden von der ständigen Rechtsprechung des BAG hoch angesetzt. Selbst strafbares oder extremistisches außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigt nicht automatisch einen Eingriff des Arbeitgebers in die persönlichen Freiheiten des Arbeitnehmers, hier die Meinungs- und Versammlungsfreiheit aus Art. 5 und 8 GG. Zum einen müssen stets schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers betroffen sein. Zum anderen kommt eine rückwirkende „Sanktionierung“ der arbeitsrechtlichen Rücksichtspflichtverletzung durch verhaltens- oder personenbedingte Kündigung nicht in Betracht. Die verhaltensbedingte Kündigung ist wegen des negativen Prognoseprinzips stets zukunftsbezogen zu beurteilen. Bereits vergangene Aktionen können daher höchstens Indizwirkung für eine Wiederholungsgefahr entfalten. Handlungsspielraum zur personenbedingten Kündigung besteht nur, wenn der Arbeitgeber aufgrund des Fehlverhaltens sein Vertrauen in die unternehmensbezogene Loyalität des Arbeitnehmers unwiederbringlich verloren hat und eine Weiterbeschäftigung unzumutbar ist. Dies wird in nur in Ausnahmefällen der Fall sein. Zur Beanstandung der Aktionen kommt daher am ehesten eine Abmahnung in Frage, die zugleich vor weiteren Pflichtverletzungen warnt.

Die Kernfrage

Entscheidend ist also, ob die Protestaktion in einem inneren Zusammenhang mit dem Beruf selbst oder den Arbeitgeberinteressen steht. Denkbar wäre beispielsweise, dass der Arbeitnehmer bei dem Protest in Dienstkleidung auftritt. Dann ist das Verhalten schon nicht mehr rein „außerbetrieblich“ und kann in der Außenwirkung dem Arbeitgeber zugeordnet werden. Auch mit Rücksicht auf die Grundrechte des Arbeitnehmers kann es für den Arbeitgeber unter Umständen nicht hinnehmbar sein, medial mit radikalen Aktionen in Verbindung gebracht zu werden. Ob die Rufschädigung dem Arbeitnehmer auch zuzurechnen ist, wenn Dritte diese Verbindung herstellen, beispielsweise wenn die Presse die Arbeitgeber der Aktivisten ausfindig macht, ist nicht mit dieser Deutlichkeit zu beantworten. Wahrscheinlich lässt sich in einem solchen Fall eher kein Zusammenhang zu dem Arbeitsverhältnis herstellen.

Auch könnte die Art und Weise des Protests bzw. dessen unmittelbare Auswirkungen inhaltlich im Widerspruch zur geschuldeten Tätigkeit oder den Werten und übergeordneten Zielen des Arbeitgebers stehen. Durch die bei Straßenblockaden entstehenden Rückstaus werden nicht nur andere Arbeitnehmer bei der Fahrt zur Tätigkeitsstätte oder Warentransporte aufgehalten. Bereits mehrfach kam es in Folge der Proteste zu Behinderungen von Einsatzkräften und Rettungsfahrzeugen auf deren Einsatzrouten. Sind die Protestierenden beispielsweise selbst Arbeitnehmer dieser (Hilfs-)Organisationen, verhindern sie mit ihrem Verhalten unmittelbar sowohl die Arbeit ihrer Kollegen als auch die Durchsetzung der Interessen und ethischen Leitlinien ihrer Arbeitgeber. In einer solchen Konstellation lässt sich der erforderliche Zusammenhang zu dem Arbeitsverhältnis argumentativ herstellen. Arbeitgeberseitige Maßnahmen, wie z. B. der Ausspruch einer Abmahnung, sind denkbar.

Fazit

Unter gewissen Umständen kann also eine Handhabe für betroffene Arbeitgeber bestehen. Ob der Arbeitgeber das außerdienstliche Verhalten tolerieren muss, ist einzelfallabhängig. Man wird lediglich in Ausnahmefällen einen Zusammenhang zu dem Arbeitsverhältnis herstellen können. Dem Arbeitgeber ist daher ein überlegtes Vorgehen zu empfehlen.