Kein Recht des Arbeitgebers, Home-Office einseitig anzuordnen

Nach § 106 Gewerbeordnung (GewO) hat der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungs- und Direktionsrechts grundsätzlich die Möglichkeit unter anderem den Arbeitsort nach billigem Ermessen näher zu bestimmen.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat in seiner Entscheidung (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14.11.2018 – 17 Sa 562/18) jedoch festgestellt, dass der Arbeitgeber nicht allein aufgrund seines Weisungsrechts den Arbeitnehmer einseitig zur Tätigkeit im Home-Office verpflichten kann.

Hintergrund

Mit zunehmender Digitalisierung wird auch der Tätigkeitsausübung im Home-Office schon länger steigender Beliebtheit zuteil. Findet die Home-Office Tätigkeit in einem adäquat geregelten rechtlichen Rahmen statt, bringt sie viele Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit sich. Insbesondere sollten Arbeitgeber jedoch beachten, dass die Tätigkeit im Home-Office sie nicht von der Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen befreit. Auch hier müssen beispielsweise die Vorgaben zur Arbeits- und Datensicherheit sowie zum Gesundheitsschutz im Einzelfall eingehalten werden.

Auch die Rechtsprechung hat und wird sich in Zukunft immer wieder Fragestellungen im Zusammenhang mit dieser Entwicklung stellen müssen.

Das Bundesozialgericht (BSG) beschäftigte zum Beispiel die Frage, ob Unfälle in der Privatwohnung auch Arbeitsunfälle sein können. In einem Fall urteilte das Gericht, dass auch ein Sturz auf der Kellertreppe zu Hause ein Arbeitsunfall sein kann (BSG, Urteil v. 27.11.2018 – B2U 28/17 R). In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung musste beispielweise die Frage entschieden werden, ob ein Arbeitnehmer aus familiären Gründen verlangen kann, vorübergehend an einen anderen als den vertraglich festgelegten Arbeitsort oder ins Home-Office versetzt zu werden. In diesem Fall lehnte das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz einen entsprechenden Anspruch des Arbeitnehmers ab (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 18.12.2014 – 10 Ca 1851/13).

Sachverhalt

Der in der hier besprochenen Entscheidung beklagte Arbeitgeber gliederte nach einer Umstrukturierung Betriebsteile aus. Die Geschäftstätigkeit am Standort Berlin wurde eingestellt. Der Arbeitnehmer erhielt in diesem Zusammenhang das Angebot, dass er seine Tätigkeit an dem Standort in Ulm fortführen könne. Für den Zeitraum von zwei Jahren könne er jedoch Telearbeit im Home-Office verrichten. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag sah keine Regelung zur Änderung des Arbeitsortes vor. Der Kläger lehnte dieses Angebot ab.

Weisungen des Arbeitgebers, Projektarbeit im Home-Office zu verrichten und in diesem Zusammenhang an einem Training und Teambesprechungen teilzunehmen, folgte der Kläger nicht. Hieran änderte auch eine erfolgte Abmahnung nichts. Nach Wahrung sämtlicher Beteiligungsrechte kündigte der Beklagte dem Kläger außerordentlich und verwies hierbei auf die beharrliche Arbeitsverweigerung. Mit der Begründung, er sei zu einer Tätigkeit im Home-Office nicht verpflichtet, wandte sich der Kläger in der ersten Instanz erfolgreich gegen die Kündigung und die Abmahnung.

Entscheidung

Auch in der zweiten Instanz blieb der Kläger erfolgreich. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg wies die Berufung des Arbeitgebers zurück.

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die beharrliche Arbeitsverweigerung eines Arbeitnehmers zwar regelmäßig „an sich“ geeignet ist, eine außerordentlich Kündigung zu rechtfertigen, im hiesigen Fall kann dem Kläger jedoch keine solche Weigerung vorgeworfen werden. Er war weder durch eine arbeitsvertragliche Regelung noch durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung verpflichtet, die ihm angebotene Arbeit im Home-Office zu verrichten. Eine rechtswirksame Zuweisung der Tätigkeit im Home-Office habe auch nicht im Rahmen der Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 GewO stattgefunden. Eine derartige Weisung ist nach Auffassung des Gerichts von dem Weisungsrecht nicht mehr erfasst, da der vereinbarte Vertragsrahmen, der eine Tätigkeit in einer Betriebsstätte vorsah, überschritten worden wäre. Die Umstände einer ausschließlich in der eigenen Wohnung zu verrichtenden Arbeit sind mit einer Tätigkeit, die in einer Betriebsstätte zusammen mit weiteren Mitarbeitern des Arbeitgebers auszuüben ist, nicht zu vergleichen. In diesem Zusammenhang führte das Gericht noch kritisch aus, dass bei der Tätigkeit im Home-Office die Grenzen von Arbeit und Freizeit fließend werden würden.

Entsprechend sei auch die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

Hinweis für die Praxis

In der Regel geht die Initiative zur Arbeit im Home-Office vom Arbeitnehmer aus. Mit der arbeitgeberseitigen Weisung zur Tätigkeit im Home-Office hatte sich das Gericht hier ausnahmsweise mit dem umgekehrten Fall zu beschäftigen. Das Gericht stellt klar, dass eine solche Weisung eine örtliche Versetzung bedeutet, die einer Rechtsgrundlage bedarf. Es sollten somit bereits bei der Gestaltung der Arbeitsverträge entsprechende Regelungen vorgesehen werden, sofern eine Tätigkeit im Home-Office ausgeübt werden soll. Fehlt es an einer solchen Regelung und der Arbeitgeber möchte dennoch eine Tätigkeit im Home-Office ausgeübt haben, so sollte er dem Arbeitnehmer das Home-Office zunächst anbieten. Lehnt der Arbeitnehmer das Angebot ab, bleibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, eine Änderungskündigung auszusprechen.