Kein Betriebsrisiko bei staatlich verfügtem „Lockdown“

Muss der Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen, trägt er nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen.“

Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) laut Pressemitteilung vom 13. Oktober 2021 mit Urteil vom selben Tag (Az. 5 AZR 211/21) festgestellt. Das BAG hat damit für den Fall einer durch die Corona-Pandemie bedingten und behördlich angeordneten Betriebsschließung entschieden, dass kein dem Arbeitgeber anzulastendes Betriebsrisiko vorliegt.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin betreibt einen Nähmaschinenhandel. Aufgrund einer pandemiebedingten Allgemeinverfügung der Stadt Bremen musste ihre Filiale in Bremen im April 2020 vorrübergehend geschlossen werden. Eine dort geringfügig beschäftigte Arbeitnehmerin, die für den Zeitraum der Schließung nicht arbeiten konnte und daher kein Gehalt erhielt, erhob Klage auf Zahlung des Arbeitsentgelts unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Entscheidung

Das BAG verneint – anders als noch die Vorinstanzen – den Anspruch der Arbeitnehmerin auf Lohnzahlung für den Zeitraum der behördlich angeordneten Betriebsschließung. Aufgrund dieser war es der Arbeitgeberin unmöglich, die Arbeitnehmerin zu beschäftigen. Im Fall der pandemiebedingten, behördlich angeordneten Betriebsschließung realisiere sich kein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleitung sei vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Es sei Sache des Staates, ggf. für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile zu sorgen, wie dies zum Teil mit dem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld erfolgt sei. Soweit ein solcher Ausgleich – wie bei der Klägerin aufgrund ihrer geringfügigen Beschäftigung – nicht gewährleistet sei, beruhe dies auf Lücken im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Aus dem Fehlen nachgelagerter Ansprüche lasse sich aber keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers ableiten.

Fazit und Ausblick

Das BAG nimmt eine Risikoverteilung zugunsten der Arbeitgeber vor, indem es für den Fall einer behördlich angeordneten Betriebsschließung im Zuge der Corona-Pandemie und einer hierdurch hervorgerufenen Unmöglichkeit der Arbeitsleistung den Anspruch auf Annahmeverzugslohn verneint.

Das Urteil des BAG kam für viele Arbeitgeber – insbesondere aufgrund der gegenteiligen Entscheidungen der Vorinstanzen – überraschend. Insofern bleibt abzuwarten, ob Arbeitgeber vermehrt den Aufwand auf sich nehmen werden, zu viel gezahltes Arbeitsentgelt zurückzufordern, soweit dies rechtlich überhaupt noch möglich ist (Stichwort: Ausschlussfristen). Im Einzelnen zur Entscheidung des BAG siehe die Pressemitteilung vom 13. Oktober 2021.