Art. 15 DS-GVO und Arbeitsrecht
Stets muss der Arbeitgeber eine Vielzahl personenbezogener Daten seiner Beschäftigten zu unterschiedlichen Zwecken verarbeiten: Bei der Anbahnung, Durchführung sowie der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses.
Seit Geltung der DS-GVO Ende Mai 2018 sind die sog. Betroffenen-Rechte der Art. 15 ff DS-GVO in den Fokus arbeitsrechtlicher Streitigkeiten gerückt.
Insbesondere über den Art. 15 DS-GVO soll im Rahmen arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen Druck auf die Arbeitgeberseite ausgeübt werden. Für die Geltendmachung dieses Anspruchs sind bis auf einen Antrag keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Er kann jederzeit gestellt werden. Er ist vom Arbeitgeber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zu erfüllen. Im Falle einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit, etwa aufgrund einer Kündigung, versuchen Beschäftigte mitunter, über Ansprüche nach Art. 15 DS-GVO Verhandlungsmasse zu schaffen.
Art. 15 Abs. 1 DS-GVO billigt dem Beschäftigten einen Anspruch auf Auskunft gewisser Informationen zu, etwa welche personenbezogenen Daten verarbeitet werden und zu welchen Zwecken. Demgegenüber ist der in Art 15 Abs. 3 DS-GVO verankerte Anspruch des Beschäftigten auf eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, uferlos.
Haben Arbeitgeber Ansprüche nach Art. 15 DS-GVO nicht fristgerecht oder vollständig erfüllt, haben Beschäftigte in der Vergangenheit zusätzlich zu den eigentlichen arbeitsrechtlichen Klagezielen zusätzlich Schadensersatzansprüche geltend gemacht. So hat beispielsweise das Arbeitsgericht Düsseldorf im März 2020 (Az.: 9 Ca6557/18) einem Beschäftigten 5.000 € Schadensersatz zugesprochen, da dessen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO weder fristgerecht noch vollständig erfüllt worden ist. Das Arbeitsgericht Neumünster (1 Ca247 c/20) hat im August 2020 einem Beschäftigten 500 € für jeden Monat der verspäteten Auskunftserteilung zugesprochen.
E-Mail-Verkehr als Kopie personenbezogener Daten?
Der Arbeitgeber hat dem Beschäftigten eine Kopie der personenbezogenen Daten auf Antrag zur Verfügung zu stellen. Daher mussten sich die Arbeitsgerichte bereits mehrfach mit der Frage beschäftigten, ob dem Beschäftigten eine Kopie seiner geschäftlich geführten E-Mail-Korrespondenzen zur Verfügung zu stellen ist.
Nach Ansicht des LAG Baden-Württemberg (Az.: 17 Sa 11/18) enthält jede einzelne vom Beschäftigten geschriebene, gesendete und empfangene E-Mail personenbezogene Daten, deren Herausgabe verlangt werden kann. Dies finde jedoch seine Grenze in einem anerkennenswerten Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers. Hierfür ist eine Güterabwägung zwischen dem arbeitgeberseitigen Geheimhaltungsinteresse einerseits und dem arbeitnehmerseitigen Auskunftsinteresse andererseits vorzunehmen. Zu einer Entscheidung in dieser Sache durch das BAG kam es nicht mehr, da die Parteien einen Vergleich geschlossen hatten.
Nach Ansicht des LAG Niedersachsen (Az: 9 Sa 608/19) besteht kein Anspruch auf die Überlassung gesamter Inhalte, somit auch nicht der gesamten E-Mail-Korrespondenz, da es sich insoweit nicht um personenbezogene Daten im Sinne von Art. 15 DS-GVO handelt. Der Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 DS-GVO geht nach Ansicht des Gerichts nicht über die Informationen hinaus, die einem Antragsteller bereits nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO mitzuteilen sind. Das Auskunftsverlangen bezieht sich nur auf solche personenbezogenen Daten, die dem Antragssteller nicht bereits vorliegen. Zudem müsse der Antragsteller präzisieren, von welchen Daten er eine Kopie begehrt. Außerdem müsse er begründen, warum ihm das jeweilige Dokument nicht bereits vorliegt. Nach eingelegter Revision sollte nun das BAG über die Reichweite des Rechts auf eine Datenkopie entscheiden.
Entscheidung des BAG
Die vor dem BAG (2 AZR 342/20) eingelegte Revision hatte keinen Erfolg und dies aus prozessualen Gründen. Nach Ansicht der Erfurter Richter ist der vom Kläger verfolgte Anspruch nicht hinreichend bestimmt genug. Der Kläger hatte vor dem LAG Niedersachsen den Antrag gestellt, „dem Kläger eine Kopie seiner personenbezogenen Daten, die Gegenstand der von ihr [Anm.: beklagte Arbeitgeberin] vorgenommenen Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen.“ Mit diesem Antrag hat der Kläger nur den Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO in Antragsform gegossen, ohne jegliche Konkretisierung seines Begehrens. Nach Ansicht des BAG ist mit diesem Antrag nicht hinreichend klar, welche Kopien welcher E-Mails die Beklagte zu überlassen hätte.
Konsequenz für die Praxis
Das BAG hat sich nicht zu der Frage geäußert, ob Beschäftigte nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO einen Anspruch auf eine Kopie der geschäftlichen E-Mail-Korrespondenz haben bzw. wieweit dieser Anspruch überhaupt reicht. Jedoch verdeutlichen die hier dargestellten Urteile (vgl. zusätzlich auch LG Heidelberg, Az.: 4 O 6/19) das Bestreben der Gerichte, dem Recht auf Kopie der verarbeiteten personenbezogenen Daten Konturen zu geben. Die Urteile haben hierzu unterschiedliche Argumentationen herangezogen. Wenn also ein Antrag nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO ohne weitere Konkretisierung gestellt wird, ist dem Antragsgegner zu raten, zunächst zu erfragen, von welchen Daten genau der Antragsteller eine Kopie haben möchte. Kann der Antragsteller dies derart konkretisieren, dass der Anspruch hinreichend bestimmbar für eine Vollstreckung wäre, sollten diese Daten dahingehend untersucht werden, ob der Herausgabe dieser Daten berechtigte Interessen an einer Geheimhaltung des Antraggegners entgegenstehen. Dies können etwa schutzwürdige Interessen anderer Personen sein oder aber Geschäftsgeheimnisse.
In jedem Fall sollte qualifizierter Rechtsrat eingeholt werden.