Während die Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie zumindest gegenwärtig ausgelaufen sind, erreichen die Arbeitsgerichte in diesem Zusammenhang immer mehr arbeitsrechtliche Fragestellungen. Zwei Gerichte hatten kürzlich über Schadenersatzforderungen von Arbeitnehmerinnen zu entscheiden, die behaupteten, der Arbeitgeber habe gegen Corona-Auflagen verstoßen.
Keine Haftung des Arbeitgebers nach dem ArbG Siegburg
Urt. v. 30.3.2022 – 3 Ca 1848/21
Im Fall des ArbG Siegburg behauptete die Klägerin, im Zuge ihrer Tätigkeit als Krankenschwester in der psychosozialen Betreuung sei es zu einer Corona-Infektion aufgrund mangelnder Bereitstellung von Corona-Schutzausrüstung gekommen. Am 08.04.2020 wurde die Klägerin das erste Mal positiv auf Corona getestet und stationär in ein Krankenhaus aufgenommen. Sie musste in der Folgezeit in ein künstliches Koma versetzt, intubiert und bis zum 25.05.2020 notbeatmet werden. Neben der Klägerin hatten sich auch 12 Bewohner mit Corona infiziert, wovon jedenfalls drei starben. Mit der Klage begehrte die Klägerin nun Ersatz der Heilbehandlungskosten, Verdienstausfall sowie Schmerzensgeld.
Die Klage blieb erfolglos. Nach den Wertungen des ArbG Siegburg habe die Klägerin nicht hinreichend darlegen können, dass eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers für ihre Erkrankung ursächlich geworden sei. Es könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass sich die Klägerin an ihrem Arbeitsplatz angesteckt habe. Auch ein ärztliches Attest, aus dem hervorgehe, dass sich die Klägerin am Arbeitsplatz angesteckt haben soll und die Einstufung der Corona-Infektion durch die BGW als Berufskrankheit ändern an dieser Einschätzung nichts. Einerseits ginge von ihnen keine bindende Wirkung aus und andererseits sei es nicht nachvollziehbar, wie die Ärztin bzw. die BGW zu dieser Einschätzung gelangt sein wollen, da sie die Klägerin wohl kaum im fraglichen Zeitraum rund um die Uhr begleitet haben und sich die Klägerin auch außerhalb des Arbeitsplatzes angesteckt haben könnte.
Steht bereits nicht fest, wann sich die Klägerin bei wem genau angesteckt hat, lässt sich auch nicht feststellen, ob die von der Klägerin behaupteten Pflichtverletzungen der Beklagten, selbst wenn man solche unterstellt, für ihre eigene Erkrankung ursächlich geworden ist. Eine Haftung scheidet daher aus.
Haftung des Arbeitgebers nach dem LAG München
Urt. v. 14.2.2022 – 4 Sa 457/21
In einer zweiten Entscheidung beschäftigte sich das LAG München mit der Ersatzfähigkeit frustrierter Aufwendungen für eine Hochzeit, die aufgrund einer Corona-Quarantäne der Braut abgesagt werden musste.
Obwohl er Erkältungssymptome aufwies, fuhr der Geschäftsführer der Beklagten mehrmals mit der Arbeitnehmerin, der späteren Klägerin, gemeinsam in einem Auto ohne Einhaltung des erforderlichen Mindestabstandes oder Tragen eines Mundnasenschutzes. Als bei dem Geschäftsführer wenige Tage später eine Corona-Infektion diagnostiziert wurde, musste sich die Arbeitnehmerin aufgrund einer Quarantäneanordnung des Gesundheitsamtes als Kontaktperson in Quarantäne begeben und war infolgedessen gezwungen, ihre Hochzeitsfeier abzusagen. Mit der Klage begehrt sie den Ersatz der nunmehr durch die erfolgte Absage nutzlos gewordenen Aufwendungen.
Die Klägerin hatte Erfolg. Das LAG München sprach ihr den Schadensersatz zu, da die Beklagte die ihr nach § 241 Abs. 2 BGB obliegende Fürsorgepflicht durch ihren Geschäftsführer verletzt hat. Der Geschäftsführer verstieß gegen die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel in der damaligen Fassung, nach der die Arbeitsumgebung so zu gestalten war, dass Sicherheitsabstände von 1,5m eingehalten werden konnten und jede Person bei Krankheitssymptomen zu Hause bleiben sollte. Anders als im Sachverhalt des zuerst dargestellten Falles war die dort fehlende Kausalität vorliegend kein Problem. Hätte der Geschäftsführer den Mindestabstand zur Arbeitnehmerin eingehalten oder wäre erst gar nicht zur Arbeit erschienen, wäre auch keine Quarantäneanordnung ergangen. Auf eine tatsächliche Infektion der Arbeitnehmerin kam es hier gar nicht an.
Bedeutung für die Praxis
Die beiden ergangenen Entscheidungen zeigen beispielhaft, welche haftungsrechtlichen Fragen sich im Zusammenhang mit Corona-Infektionen ergeben können und wie sie zu beurteilen sind. Eine Haftung des Arbeitgebers kommt nur in Betracht, wenn die Pflichtverletzung des Arbeitgebers ursächlich für den entstandenen Schaden war. Den Arbeitnehmer trifft die Beweislast, dass die arbeitgeberseitige Verletzung von Fürsorgepflichten zu seiner Corona-Infektion geführt haben. Die lückenlose Erbringung dieses Nachweises dürfte für den Arbeitnehmer regelmäßig schwierig werden, da in den seltensten Fällen feststeht, wo und wann eine Infektion stattgefunden hat.
Zu beachten ist auch eine mögliche Privilegierung des Arbeitgebers, die sich aus den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung ergibt. Selbst wenn die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Schaden nachgewiesen werden kann, so ist eine vertragliche oder deliktische Haftung des Arbeitgebers nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII vollständig ausgeschlossen, wenn der Personenschaden als Versicherungsfall eingestuft wird (Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit) und der Arbeitgeber diesen nicht vorsätzlich herbeigeführt hat. Grundsätzlich stellt eine Infektion mit Covid-19 keinen Arbeitsunfall dar, sondern vielmehr verwirklicht sich eine Allgemeingefahr, die nicht berufsspezifisch ist. Ausnahmsweise kann eine Infektion die Voraussetzungen einer Berufskrankheit erfüllen, sofern der betroffene Arbeitnehmer z.B. Tätigkeiten innerhalb der Wohlfahrtspflege, im Gesundheitsdienst oder in einem Laboratorium oder Ähnlichem wahrnimmt und daher bei seiner versicherten Tätigkeit der Infektionsgefahr in besonderen Maße ausgesetzt ist.