Farewell, United Kingdom – Der Brexit ist da!

Nunmehr etwas mehr als zwei Wochen sind vergangen, seitdem der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union Realität geworden ist. Nach 47 Jahren Mitgliedschaft in der EU und über drei langen Jahren zähen Ringens um die Frage des Austritts oder Verbleib in der EU und die jeweilige Ausgestaltung, haben sich die Briten dafür entschieden den „(Br)exit“ nun mit Ablauf des 31. Januars 2020 zu vollziehen. Das zwischen Europäischer Union und dem Vereinigten Königreich verhandelte Austrittsabkommen wurde am 24. Januar 2020 unterzeichnet und am 29. Januar 2020 durch das Europäische Parlament ratifiziert. Die Parlamentsmitglieder verabschiedeten das scheidende Mitglied dabei in einem denkwürdigen Moment, indem sie das traditionelle schottische Lied Auld Lang Syne (in der deutschen Version „Nehmt Abschied, Brüder“) anstimmten.

Wo stehen wir jetzt und wie geht es weiter?

Die gute Nachricht ist: Bis Ende diesen Jahres wird es nach den Regeln des Austrittsabkommens eine Übergangsphase geben, in der sich noch nicht viel ändern wird. Das Vereinigte Königreich ist nun zwar offiziell kein Mitgliedstaat der EU mehr, wird vorerst aber weiterhin Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion sein. Auch die in der Europäischen Union geltende Freizügigkeit, also das Recht der Unionsbürger sich in einem anderen Mitgliedsstaat frei bewegen und aufhalten zu können, insbesondere zu wohnen und arbeiten, gilt noch für das Vereinigte Königreich und dessen Bürger innerhalb der Übergangsphase. Zwar kann die Übergangsphase bis 30.06.2020 um bis zu zwei Jahre verlängert werden, sofern jedoch kein Abschlussabkommen zwischen der EU und Großbritannien zustande kommt, droht auch hiernach noch der ungeregelte bzw. „No Deal“-Brexit und es drohen erhebliche Handelshemmnisse.

Risiken nach Ende der Übergangsphase

Für britische Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland (insbesondere also die Limited) ist nach Ende der Übergangsphase und im Falle fehlender Anschlussregelungen die bereits seit Anbeginn der Brexit-Verhandlungen viel diskutierte Folge des Wegfalls der europäischen Niederlassungsfreiheit zu befürchten. Während deutsche Gerichte Gesellschaften, die im EU-Ausland nach dem dortigen Recht wirksam gegründet wurden, bislang aufgrund der Rechtsprechung des EuGH und der innerhalb der EU anzuerkennenden Freizügigkeit auch in Deutschland anerkannt hat, ist damit zu rechnen, dass dies künftig nicht mehr der Fall sein wird. Gesellschaften aus dem Vereinigten Königreich dürften dann, wie bislang auch für Gesellschaften aus Drittstaaten angenommen, nach dem Recht des Staates zu beurteilen sein, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat. Befindet sich dieser beispielsweise im Falle der Limited in Deutschland ist diese nach deutschem Gesellschaftsrecht zu beurteilen und insofern mangels Erfüllung der Gründungsvorschriften der vergleichbaren deutschen GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) als Einzelkaufmann, GbR oder oHG zu beurteilen mit der Folge der unbeschränkten Haftung des oder der Gesellschafter. Vor Eintritt einer solchen Haftungsfolge sollte daher eine Umstrukturierung in Betracht gezogen werden. Hier bestehen verschiedene Möglichkeiten, wie die Verschmelzung mit einer deutschen Gesellschaft oder die Übertragung der Vermögensgegenstände oder Anteile der Limited auf eine ebensolche. Welche Lösung die richtige ist, kann nur im Einzelfall in Abstimmung mit dem Steuerberater entschieden werden.

Daneben droht das Risiko, dass mit dem Ende der Übergangsphase und dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Zollunion auch wieder Zölle auf Lieferungen zwischen der EU und Großbritannien sowie Nordirland anfallen. Bestehende Verträge sollten daher dahingehend geprüft werden bzw. neu abzuschließende Verträge dergestalt formuliert werden, ob bzw. dass klare Regelungen über die Rechte und Pflichten der Parteien enthalten sind. Insbesondere muss geregelt sein, wer die Zölle wirtschaftlich trägt und wie mit Lieferverzögerungen im Rahmen der Zollabfertigung umzugehen ist. Im Rahmen der Vertragsgestaltung bietet sich dafür die Verwendung von Incoterms® an. Bei Incoterms®, den sog. International Commercial Terms, handelt es sich um standardisierte Regeln, die von der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce – ICC) in Paris herausgegeben werden und im grenzüberschreitenden Handel seit geraumer Zeit von den meisten Handelsnationen anerkannt werden. Durch die Verwendung der Incoterms® kann, sofern diese korrekt formuliert sind, eine klare Aufteilung der Pflichten von Käufer und Verkäufer in Bezug auf Transport und Versicherung der Waren sowie die Regelung des Gefahrenübergangs und die Kostenverteilung erzielt werden und somit Missverständnissen bei der Auslegung des Vertrags vorgebeugt werden.

Ausblick

Ob und in welchem Umfang einvernehmliche Regelungen und Erleichterungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU nach Ende der Übergangsphase geschaffen werden, ist derzeit noch unklar. Zuletzt verdeutlichte der britische Premierminister Johnson, dass er sich in einem künftigen Handelsabkommen EU-Regeln nicht vollumfänglich unterwerfen wolle, die EU dagegen erwartet für einen Zugang des Vereinigten Königreichs zum europäischen Binnenmarkt auch die Einhaltung der EU-Standards. Verträge, die Lieferbeziehungen oder sonstige rechtliche oder wirtschaftliche Anknüpfungspunkte mit dem Vereinigten Königreich aufweisen, sollten daher zeitnah überprüft und ggf. angepasst werden. Doch auch bei allen anderen Verträgen ist zu überprüfen, ob eine Bezugnahme auf die Europäische Union künftig auch das Gebiet von Großbritannien und Nordirland umfassen soll oder nicht.