Entgelttransparenz und Vermutung geschlechtsspezifischer Benachteiligung

Hintergrund

Ein Arbeitgeber darf für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts ein geringeres Entgelt vereinbaren oder zahlen. Dies sieht das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) vor. Verstößt ein Arbeitgeber gegen dieses Verbot, so hat der diskriminierte Arbeitnehmer einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung.

Voraussetzung des Anspruchs ist jedoch das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen der niedrigeren Vergütung und dem Geschlecht des Arbeitnehmers. Hier hilft dem Arbeitnehmer eine Vorschrift aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Diese sieht im Rahmen des Rechtschutzes gegen Diskriminierungen hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn also der Arbeitnehmer Indizien darlegen kann, die eine Benachteiligung aufgrund eines Diskriminierungsgrundes des AGG vermuten lassen, so trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß vorliegt.

In diesem Zusammenhang spielt der im EntgTranspG normierte Auskunftsanspruch eine besondere Rolle. Dieser gewährt den Arbeitnehmern einen Anspruch auf Auskunft u.a. über die Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer und über die Verteilung nach dem Geschlecht. Der Arbeitgeber hat zur Erfüllung des Anspruchs dem Arbeitnehmer u.a. den statistischen Median für das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt der Vergleichsgruppe mitzuteilen. Bisher war umstritten, ob dieser Median die Beweiserleichterung der AGG-Vorschrift auslösen kann. Hier setzt eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) an.

Der Streitfall

Die Erfüllung eines Auskunftsanspruchs einer Abteilungsleiterin nach dem EntgTranspG hatte ergeben, dass die Median-Entgelte ihrer männlichen Kollegen sowohl bezüglich des Grundentgelts als auch im Hinblick auf die Zulagen höher waren als ihre eigenen. Daraufhin erhob die Abteilungsleiterin Klage auf Zahlung der Differenz zwischen dem ihr gezahlten Entgelt und dem höheren Median-Entgelt ihrer männlichen Kollegen. Die erste Instanz gab ihrer Klage statt.

Auf Berufung der Beklagten hat das LAG Niedersachsen das Urteil jedoch abgeändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt es aus, dass die Klägerin keine ausreichenden Indizien für eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts nach der Beweiserleichterungsvorschrift des AGG dargelegt hatte. Allein der Umstand, dass das Median-Entgelt ihrer männlichen Kollegen höher ist, genüge für diese Annahme nicht. Es bedürfe vielmehr eines Vortrags, der mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine Vergütungsbenachteiligung aufgrund des Geschlechts schließen lasse.

Entscheidung des BAG

Das BAG teilt diese Auffassung des LAG nicht (Urteil vom 21. Januar 2021 – 8 AZR 488/19). Bereits der Umstand, dass das Entgelt der Klägerin geringer war als das den männlichen Abteilungsleitern gezahlte, genüge für sich allein genommen für die (widerlegbare) Vermutung einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts. Aufgrund dessen liege eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin i.S.d. EntgTranspG gegenüber der männlichen Vergleichsgruppe vor.

Das BAG hob die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück an das LAG Niedersachsen. Das LAG muss nun klären, ob der Arbeitgeber die gesetzliche Vermutung des § 22 AGG widerlegen kann.

Bedeutung der Entscheidung

Durch die Entscheidung, dass der Median die AGG-Beweiserleichterung auslösen kann, geraten Arbeitgeber unter Rechtfertigungsdruck. Ihnen obliegt es, darzulegen und zu beweisen, dass die Entgeltdifferenz auf sachlichen Gründen und nicht auf dem Geschlecht beruht. Für Arbeitnehmer stellt das eine erhebliche Erleichterung dar. Es bleibt jedoch abzuwarten, welche Anforderungen an die Widerlegung der Vermutung gestellt werden.