Der Auskunftsanspruch Art. 15 DSGVO Teil II – Rechtsmissbräuchlichkeit

In den vergangenen Monaten ist eine Vielzahl an gerichtlichen Entscheidungen zur rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO ergangen. Dabei kommen die Gerichte zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Frage, wann ein Auskunftsersuchen rechtsmissbräuchlich ist. Der BGH hat diese Frage nun dem EuGH vorgelegt, sodass mit einer baldigen Klärung dieser Rechtsfrage zu hoffen ist.

Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs

Gem. Art. 15 DSGVO hat jede betroffene Person ein umfangreiches Recht auf Auskunft über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten gegenüber der jeweils verantwortlichen Stelle. Die betroffene Person soll die Möglichkeit haben, prüfen zu können, welche personenbezogenen Daten verarbeitet werden und ob die jeweilige Verarbeitung auch rechtmäßig erfolgt. Gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO muss neben den Verarbeitungszwecken u.a. auch über die Kategorien der verarbeiteten Daten, die Speicherdauer und die konkreten Empfänger der Daten Auskunft erteilt werden (unseren Blogbeitrag zu der aktuellen EuGH-Entscheidung vom 12.1.2023 bezüglich der Nennung der konkreten Empfänger finden Sie hier). Die Auskunftserteilung muss gem. Art. 12 Abs. 5 DSGVO unentgeltlich erfolgen. Die verantwortliche Stelle muss dem Auskunftsersuchen hingegen nicht nachkommen, wenn und soweit es offenkundig unbegründet ist. Ebenso muss das Auskunftsersuchen nicht erfüllt werden, wenn der Antrag auf Auskunft exzessiv gestellt wird, d.h. häufig wiederholt wird. Auch die Rechte und Freiheiten Dritter können ein Grund zur Verweigerung der Auskunftserteilung sein. Die verantwortliche Stelle muss die Rechtsmissbräuchlichkeit des Auskunftsersuchens nachweisen.

Umstritten ist, ob die Auskunft auch dann wegen Rechtsmissbräuchlichkeit verweigert werden darf, wenn der:die Antragsteller:in mit der Auskunftserteilung datenschutzfremde Ziele verfolgt. Zuletzt sind einige gerichtliche Entscheidungen ergangen, bei denen die jeweilige betroffene Per-son gegen ihre Versicherung auf Auskunftserteilung geklagt hat, um sich (in einem weiteren Verfahren) gegen eine angeblich ungerechtfertigte Prämienerhöhung der Versicherung zur Wehr zu setzen. Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO wurde mit dem Ziel geltend gemacht, eine Klage auf Rückzahlung von angeblich zuviel gezahlten Beiträgen gegen die Versicherung vorzubereiten.

Aktuelle Rechtsprechung

Das OLG Hamm hat in seiner Entscheidung vom 15.11.2021 (I-20 U 269/21) ein solches Vorgehen als rechtsmissbräuchlich eingestuft, da es nicht von den Schutzzwecken der DSGVO erfasst sei. Das Recht auf Auskunft diene dem Ziel, sich der Verarbeitung personenbezogener Daten bewusst zu werden und ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Würden andere Ziele mit dem Auskunftsersuchen verfolgt, sei dies rechtsmissbräuchlich, sodass die verantwortliche Stelle die Auskunft verweigern dürfe. Das sei vorliegend der Fall, weil es dem Kläger nicht darum gehe, die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zu überprüfen, sondern die erfolgten Prämienerhöhungen anzufechten und einen Anspruch auf Rückzahlung geltend zu machen.

Das OLG Dresden (Urteil vom 29.3.2022 – 4 U 1905/21) und das OLG Nürnberg (Urteil vom 14.3.2022 – 8 U 2907/21) haben sich in ihren Entscheidungen dem OLG Hamm angeschlossen und mit der gleichen Begründung der beklagten Versicherung ein Auskunftsverweigerungsrecht gem. Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO zugestanden.

Das OLG Köln ist jedoch anderer Ansicht und hat die Rechtsmissbräuchlichkeit eines solchen Auskunftsbegehren in seiner Entscheidung vom 22.5.2022 (20 U 198/21) verneint. Es führt aus, dass auch die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche ein legitimes Ziel und damit vom Schutzzweck des Art. 15 DSGVO erfasst sei. Es könne kaum ausgeschlossen werden, dass es dem Kläger nicht auch um den Schutz seiner personenbezogenen Daten gehe. Ein schikanöses Verhalten seitens des Klägers sei nicht ersichtlich, zumal nicht mehrere Anträge auf Auskunft innerhalb kurzer Zeit gestellt worden seien.

Vorlage an den EuGH

Der BGH hat die Klärung der Frage nach der Rechtsmissbräuchlichkeit mit Beschluss vom 29.3.2022 (VI ZR 1352/20) dem EuGH vorgelegt. Nach Ansicht des BGH kommt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nur im Einzelfall in Betracht und auch nur dann, wenn die verfolgten Zwecke von der Rechtsordnung missbilligt werden. Als Beispiel nennt der BGH arglistiges oder schikanöses Vorgehen. Er führt in seinem Vorlagebeschluss aus, dass die DSGVO zum einen keine Pflicht zur Begründung eines Auskunftsbegehrens vorschreibe. Zum anderen könne man nicht ohne Weiteres von einem offenkundig unbegründeten Auskunftsbegehren ausgehen, wenn es nicht (nur) vom Schutzzweck der Norm motiviert sei.

Fazit

Das Recht auf Auskunft gem. Art. 15 DSGVO wird immer häufiger von Betroffenen geltend gemacht. Wo die Grenze zum Rechtsmissbrauch verläuft, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls und in der Praxis äußerst schwierig festzustellen, zumal die betroffene Person ihr Auskunftsbegehren nicht begründen muss. Ob legitime, aber datenschutzfremde Ziele bei der Beurteilung eines solchen Begehren als rechtsmissbräuchlich anzusehen sind und damit zu einem Auskunftsverweigerungsrecht der verantwortlichen Stelle führen, ist fraglich. Das Urteil des EuGH auf die Vorlagefragen des BGH ist daher mit Spannung zu erwarten.

Für die Praxis verbleiben bis zur Entscheidung des EuGH weiterhin erhebliche Unsicherheiten bei der Verweigerung einer Auskunft, wenn diese mit rechtsmissbräuchlichem Verhalten begründet wird. Denn wird einem Auskunftsbegehren nicht nachgekommen, obwohl es ordnungsgemäß gestellt worden ist, stellt dies einen Verstoß gegen die DSGVO dar und es drohen erhebliche Bußgelder.