Rechtsnachfolger trifft keine Räumungspflicht trotz weitergeführtem Mietvertrag

Ein Vermieter kann von einem Mieter, der nach Durchführung eines Insolvenzverfahrens die Position eines Rechtsnachfolgers des vorhergehenden Mieters einnimmt, keinen Schadensersatz wegen der Erbringung nur unzureichender Räumungspflichten verlangen.  

LG Trier, Urteil vom 07.12.2022– 5 O214/22

Problem/Sachverhalt

Die Klägerin war Vermieterin und die Beklagte Mieterin eines gewerblichen Mietobjekts. Die Klägerin nahm die Beklagte nach Mietende wegen einer vermeintlich unzureichend erfüllten Pflicht auf Räumung des Mietgegenstandes in Anspruch. Die Besonderheit des Falls bestand darin, dass die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der vormals ebenso als Mieterin auftretenden Vorgängerin zu behandeln war. Gegen diese Vorgängerin war ein Insolvenzverfahren durchgeführt worden. Konkret trat die Beklagte kraft gesellschaftsrechtlicher Anwachsung in die rechtliche Stellung der vormaligen Mieterin ein (§§ 161 II, 105 III HGB, 738 BGB). In Bezug auf die gegen die Beklagten verfolgten Ansprüche hatte die Klägerin vormals auf eine Anmeldung zur Insolvenztabelle verzichtet.  

Entscheidung

Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen! Das Gericht entschied, dass kein Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung aus unzureichender Räumung bestand. Vielmehr sei der Anspruch der Klägerin auf Räumung im Zuge des durchgeführten Insolvenzverfahrens bereits untergegangen. Begründet wurde dies damit, dass im Falle einer Beendigung des Mietvertrages nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Hinblick auf das Bestehen eines Räumungsanspruchs entscheidend sein solle, wann das Räumungsgut in die Immobilie verbracht wurde. Ist dies vor dem Insolvenzverfahren geschehen, ist der Anspruch als Insolvenzforderung zu qualifizieren und kann nach dessen Abschluss nicht weiterverfolgt werden. Konkret entstand der klägerseits verfolgte Anspruch bereits mit Abschluss des Mietvertrages, wenn auch aufschiebend bedingt durch dessen, erst später eintretende Beendigung. Zulasten der Klägerin war insbesondere festzuhalten, dass diese die Möglichkeit gehabt hätte, den mit ihrem Räumungsanspruch einhergehenden Kostenaufwand zu schätzen und einen entsprechenden Betrag zur Insolvenztabelle anzumelden. Da dies nicht geschah, trat die Rechtswirkung des § 254 I InSO ein – im konkreten Falle der Verzicht auf alle, nicht angemeldeten Forderungen. Unerheblich war, dass der Mietvertrag mit der Beklagten als Rechtsnachfolgerin weiter fortgeführt wurde. So ginge hiermit keine stillschweigende Erklärung einher, eine Räumung -in der verfolgten Weise- doch zu schulden. Vielmehr sei dem Abschluss eines Insolvenzverfahrens stets ein Neustart immanent und sämtlichen Beteiligten damit zuzusprechen, darauf vertrauen zu können, für vergangene Verbindlichkeiten nicht nachträglich doch aufkommen zu müssen. Dies wäre nicht der Fall, wenn doch ein Weg bestünde, Altverbindlichkeiten zu verfolgen.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt deutlich, dass sehr genau darauf geachtet werden muss, sämtliche -wenn auch nur schwer bezifferbare- Forderungen vollständig zur Insolvenztabelle anzumelden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass nachträglich Ansprüche bereits als untergegangen behandelt werden. Dies gilt auch dann, wenn das Vertragsverhältnis mit einer Rechtsnachfolgerin der vormaligen Schuldnerin -sei es auch über Jahre- fortgeführt wird. Ebenso führt die Entscheidung erneut die Funktion des Insolvenzverfahrens vor Augen, namentlich die Möglichkeit eines vollständigen Neustarts unter Ausschluss von etwaigen „Altlasten“.

Der Beitrag ist zuerst erschienen bei ibr-online.