OLG Koblenz: Vorsicht bei Kündigung per Fax und ohne Vollmachtsurkunde

Sachverhalt

Eine Arbeitsgemeinschaft („ARGE“) wird von einem öffentlichen Auftraggeber („AG“) mit der Entsorgung von Baggergut aus einer Ausbaggerung eines Sediments am Rhein beauftragt. Nach Abschluss des Vertrags entstehen wegen der Entsorgung Streitigkeiten zwischen dem AG und der ARGE. Der AG kündigt den Vertrag mit Schreiben vom 01.03.2011. Das Schreiben wird vom stellvertretenden Amtsleiter unterzeichnet und per Telefax versendet. Dabei wird in dem Kündigungsschreiben im Briefkopf folgendes ausgeführt: „vorab per Fax […] Per Einschreiben mit Rückschein“. Die ARGE weist die Kündigung wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde nach § 174 BGB am 03.03.2011 zurück. Zudem droht die ARGE ihrerseits mit einer Kündigung wegen fehlender Unterlagen. Am 09.03.2011 kündigt die ARGE den Vertrag aus wichtigem Grund gemäß § 9 Ziff. 2 VOL/B. Erst danach, am 14.03.2011, geht das Original der Kündigung des AG vom 01.03.2011 nebst Vollmachtsurkunde per Einschreiben bei der ARGE ein. Vor Gericht streiten die Parteien über Zahlungsansprüche der ARGE sowie die Wirksamkeit der Kündigung des AG.

Entscheidung

Das OLG sieht die Kündigung des AG vom 01.03.2011 als unwirksam an (Urteil vom 03.12.2021 – 3 U 2206/19). Sie stehe somit der Kündigung durch die ARGE und deren weiteren Zahlungsansprüchen nicht entgegen. Es sei in Anbetracht des Zusatzes im Briefkopf („Vorab per Fax […] Per Einschreiben mit Rückschein“) schon fraglich, ob mit der Versendung per Telefax von Seiten des AG bereits der Zugang der Kündigungserklärung hergestellt werden sollte oder ob diese lediglich der Vorab-Information dienen sollte, wobei für Letzteres der Wortlaut spreche. Ginge man dennoch von einem Zugang der Kündigung im Rechtssinne aus, habe jedenfalls die Zurückweisung der Kündigung durch die ARGE mit Schreiben vom 03.03.2011 zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung geführt. So sei der die Kündigung des AG unterzeichnende stellvertretende Amtsleiter nicht durch Gesetz oder Rechtsverordnung zur Vertretung des AG berufen gewesen. Vielmehr beruhe dessen Vertretungsmacht nur auf einer ausgesprochenen Subdelegation. Diese Subdelegation bzw. Untervollmacht habe der Kündigung aber nicht beigelegen. Ungeachtet dessen sei deren Übersendung per Telefax ohnehin nicht formwirksam gewesen. Die fehlende Vollmachtsurkunde sei auch unverzüglich durch die ARGE zurückgewiesen worden. Durch den Zugang der Original-Vollmachtsurkunde am 14.03.2011 sei die Unwirksamkeit der Kündigung vom 01.03.2011 auch nicht geheilt worden. Schaffe es der Kündigende (hier AG) nicht, innerhalb der zu erwartenden Postlaufzeit von drei Werktagen für einen Zugang des Originals zu sorgen, könne er sich nicht auf den früheren Faxeingang berufen. Eine Zurückweisung sei auch nicht ausgeschlossen, wenn auf dem Telefax vermerkt sei, dass ein Original folge.

Praxishinweis

Die Entscheidung behandelt einen häufigen Fall in Kündigungssituationen. Insbesondere sollte bei einer Kündigung darauf geachtet werden, dass der Unterzeichner der Kündigung für den Empfänger der Kündigung erkennbar vertretungsberechtigt ist. Ist das nicht der Fall, sollte grds. eine entsprechende Vollmacht im Original der Kündigung beigefügt werden. Anderenfalls könnte die Kündigung mangels Vollmacht zurückgewiesen werden, wenn der Empfänger der Kündigung diese deshalb unverzüglich zurückweist. Umgekehrt sollte derjenige, der eine Kündigung mangels Vollmacht zurückweisen möchte darauf achten, dass auch er erkennbar vertretungsberechtigt ist oder eine entsprechende Vollmacht der Zurückweisung im Original beilegt. Ansonsten könnte auch die Zurückweisung ihrerseits zurückgewiesen werden.

Der Beitrag ist zuerst erschienen im ImmobilienReport Metropolregion Rhein-Neckar Ausgabe 180.