Baustellenlärm in der Nachbarschaft kann sich als besonders störend erweisen. Mit der Frage, ob und inwiefern ein Mieter wegen Baulärms zur Mietminderung berechtigt ist, hatte sich der BGH in seiner Entscheidung vom 29. April 2020 – VIII ZR 31/18 zu befassen.
Sachverhalt
Der Beklagte ist seit dem 01. Dezember 2009 Mieter einer Zwei-Zimmer-Wohnung der Klägerin. In der Zeit zwischen 2013 und 2015 wurde auf einem Grundstück, das 40 m von dem Mietobjekt entfernt liegt und das seit 1946 unbebaut war, ein Neubau errichtet. Der Beklagte zeigte der Klägerin unter Vorlage eines Lärmprotokolls an, dass die Wohnung durch von der Baustelle des vorgenannten Neubaus ausgehenden Baulärms beeinträchtigt werde. Zugleich kündigte er eine Minderung der Miete um 10 % an und behielt sodann ab Juni 2013 bis einschließlich Februar 2015 10 % der Mietzahlung ein. Der Vermieter reichte Zahlungsklage über den gekürzten Mietzins ein. Zu Recht?
Entscheidung
Ja! Der achte Senat des BGHs hat seine Rechtsansicht aus der sogenannten „Bolzplatzentscheidung“ (BGH, Urt. v. 29. April 2015 – VIII ZR 197/14) bestätigt. Gegenstand des damaligen Verfahrens war ebenfalls die Frage, ob Lärm von einem benachbarten Grundstück (dort Kinderlärm) einen zur Mietminderung berechtigenden Mangel darstellt.
Entscheidend sei auch hier die Frage, ob überhaupt ein Mangel vorliege. Ein derartiger Mangel sei dann anzunehmen, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand für den Mieter nachteilig abweicht. Bei fehlender Beschaffenheitsvereinbarungen, wie vorliegend, werde der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben nach der Verkehrsanschauung bestimmt.
Dabei könne dem Vermieter nicht einseitig das Risiko einer lärmintensiven Nutzungsänderung auf einem Nachbargrundstück zugewiesen werden. Es komme vielmehr darauf an, welche Regelung die Mietvertragsparteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als redliche Vertragspartner getroffen hätten, wenn ihnen bei Vertragsabschluss die von ihnen nicht bedachte Entwicklung in Gestalt der erhöhten Lärmbelastung bewusst gewesen wäre. Hiernach begründen bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte jedenfalls dann grundsätzlich keinen zur Mietminderung führenden Mangel einer Mietwohnung, wenn auch der Vermieter selbst sie ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss.
Praxishinweis
Die Entscheidung des BGHs und dessen Fortführung seiner „Bolzplatz“-Entscheidung aus dem Jahre 2015 ist für die Praxis von erheblicher Bedeutung. Bei jeglichen Konstellationen, in denen Mieter wegen fortdauerndem Lärm auf dem Nachbargrundstück oder in der Umgebung eine Mietminderung geltend machen, hat eine Beurteilung, ob diese rechtmäßig ist, nach dem Kriterium zu erfolgen, ob der Vermieter als Eigentümer die Immissionen entschädigungslos dulden muss.