Die zunehmende Digitalisierung verändert die Wirtschaft, das Arbeitsleben und alles unternehmerische Handeln; sie erfasst letztlich die gesamte Gesellschaft. Mit der digitalen Welt kamen zahlreiche neue Begriffe und Wortschöpfungen, die die Unternehmenswelt bereits nachhaltig verändert haben. Der Beitrag erläutert einzelne Begriffe und zeigt deren Relevanz für das Gesellschaftsrecht der Zukunft.
Der Sammelbegriff „Künstliche Intelligenz“ (KI)
Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ oder kurz „KI“ ist bereits so geläufig, dass man denken könnte, es gäbe eine allgemeingültige Definition. Die Bezeichnung ist jedoch allenfalls ein Sammelbegriff: Von künstlicher Intelligenz ist etwa die Rede, wenn Algorithmen zum Einsatz gebracht werden, die Daten analysieren und diese nach bestimmten Vorgaben auswerten. Auch sog. „maschinelles Lernen“ wird unter dem Oberbegriff der KI diskutiert. Sodann wird auch die Weiterentwicklung der Robotik, etwa im Zusammenhang mit autonomem Fahren, unter KI besprochen. Die vorstehende Auflistung ist nicht abschließend.
Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ist KI aus unterschiedlichen Blickwinkeln von Interesse: Zum einen ergeben sich durch den Einsatz von KI Möglichkeiten zur Optimierung rechtlich determinierter Abläufe im Unternehmen, etwa im Bereich Risk Management zur Erkennung von Mustern wahrscheinlicher Regelverstöße, als Bestandteil einer Due Diligence, zur Analyse der Finanzdaten des Unternehmens, usw. Auf Ebene der Geschäftsleitung dürfte zudem die Nutzung intelligenter Systeme zur Informationsbeschaffung als Grundlage für das Treffen unternehmerischer Entscheidungen immer relevanter werden (Stichwort „Big Data“, hierzu noch sogleich).
Abgesehen davon stellen sich im Zusammenhang mit KI aber auch neuartige Haftungsfragen, und zwar sowohl auf Ebene des Unternehmens wie auch im Hinblick auf die Haftung der Geschäftsleitung, wenn sich die auf Grundlage einer KI-basierten Datenanalyse getroffene unternehmerische Entscheidung als problematisch erweist. Höchste Zeit also, sich mit den Begriffen und ihrer rechtlichen Relevanz näher zu befassen.
Algorithmen
Der Begriff Algorithmus ist aus der Mathematik bekannt und umschreibt zunächst lediglich einen (hier: IT-gestützten) Rechenvorgang nach einem bestimmten, sich wiederholenden Schema. Algorithmen sind in der Lage, selbständig Muster, Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge in großen Datenmengen zu erkennen und entsprechend „zu handeln“. Sie führen dabei selbst jedoch nur vorgegebene Prozesse durch; das Ergebnis ist eine gewisse Automatisierung, die sich aber im Rahmen des durch den Programmierer Vorgegebenen bewegt.
Algorithmen werden seit längerem schon im Börsenhandel eingesetzt und haben dort auch Eingang in die gesetzlichen Regelungen gefunden (z.B. in § 80 Abs. 2 WpHG). Darüber hinaus dürften sie ihren größten Bekanntheitsgrad derzeit im Zusammenhang mit Internet-Suchmaschinen und Social Media erlangt haben: Algorithmen schlagen uns neue Kaufobjekte, Nachrichten, Meldungen oder Videos vor, die vorangegangenen Suchen entsprechen und bei denen der Algorithmus davon ausgeht, dass sie unser Interesse wecken. Algorithmen werden demnach immer dort eingesetzt, wo große Datenmengen zu analysieren sind.
Diskutiert wird, dass auch Entscheidungen innerhalb von Unternehmen, insbesondere die Entscheidungen der Unternehmensleitung, zukünftig von Algorithmen unterstützt oder ggf. sogar getroffen werden könnten. Insoweit stellen sich aber zahlreiche Folgefragen: Wer haftet für die fehlerhafte Entscheidung des Algorithmus oder für den fehlerhaften Algorithmus? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus, wenn ein Geschäftsleiter die Eigenlogik des Algorithmus nicht versteht oder die Datengrundlage des Algorithmus unzureichend war?
Auch im Bereich der Enthaftung für fehlerhafte Geschäftsleiterentscheidungen könnte der Verwendung von Algorithmen Bedeutung zukommen: Insbesondere dann, wenn strategische Entscheidungen auf komplexer oder umfangreicher Datengrundlage getroffen werden müssen, könnten Algorithmen den menschlichen Entscheidungsträgern überlegen sein bzw. deren Entscheidung zumindest absichern.
Maschinelles Lernen oder machine learning (auch: Deep Learning)
Mit „maschinellem Lernen“ wird ein Vorgang bezeichnet, bei dem ein künstliches System (eine „Maschine“) aus Trainingsdaten Muster, Korrelationen oder Gesetzmäßigkeiten ableitet und hierdurch befähigt wird, diese zu verallgemeinern. Es werden u.a. zwei Ansätze unterschieden: Der eine basiert auf Algorithmen, der andere auf sog. neuronalen Netzen.
Insbesondere Systeme, die auf neuronalen Netzen basieren, sollen auch unbekannte Daten nach dem Erlernten beurteilen können. Im Unterschied zum reinen Algorithmus ist die entsprechend trainierte Maschine damit in der Lage, anhand der erlernten Modelle eine autonome Entscheidung zu treffen, die aus menschlicher Sicht nicht zwingend vorhersehbar und auch nicht einfach nachvollziehbar ist (Problematik der sog. „Black Box“). Die Anwendungsfelder scheinen unendlich, sowohl im Hinblick auf die operative Tätigkeit wie auch hinsichtlich der Unternehmensorganisation. So werden neben spezielleren Bereichen wie Finanzmarktanalysen, Produktentwicklung, automatisierten Diagnoseverfahren, Spracherkennungssystemen, Übersetzungsprogrammen usw. nahezu sämtliche Bereiche der Unternehmensorganisation als Anwendungsfelder genannt: Risk Management, Compliance, Personal- und Bewerberauswahl, der Einkauf, die Produktionsplanung, das Marketing usw. Aus dem maschinellen Lernen ergibt sich daher erhebliches wirtschaftliches Potential im Hinblick auf intelligentere Entscheidungen. Die Kehrseite sind (Haftungs-) Risiken und Probleme der Beweisbarkeit, wenn unklar ist, wie die Maschine zu einem bestimmten Ergebnis gelangt ist.
Big Data
Big Data bezieht sich zunächst schlicht auf die global immer schneller wachsenden Datenmengen. Darüber hinaus werden mit Big Data oder Big Data Analytics aber insbesondere Technologien zur schnellen Verarbeitung und Auswertung riesiger und komplexer Datenmengen bezeichnet. Es geht um besonders leistungsstarke IT-Systeme, mit denen Unternehmen (oder auch Regierungen und Behörden) intern oder extern vorhandene Informationen und Daten für ihre Zwecke nutzen und verarbeiten können.
In engem Zusammenhang mit der Big Data-Thematik steht die Notwendigkeit, die Themen Datenverfügbarkeit, Datenerfassung, Datenspeicherung und Datensicherheit neu zu denken. Der globale Wettbewerb um verfügbare Daten könnte gerade für kleine und mittlere Unternehmen schwierig zu gewinnen sein. Weiter hinzu kommt die Frage nach der Datenqualität und Transparenz. Die Ergebnisse einer Datenanalyse durch künstliche Systeme dürften maßgeblich von der Qualität der ausgewerteten Daten abhängen, und zwar einerseits, was deren Richtigkeit, Wahrheit und Passgenauigkeit angeht: Geben die auszuwertenden Daten tatsächlich Antwort auf die sich stellende Frage? Welches konkrete Ziel verfolgt die Datenanalyse? Zum anderen aber auch, was die rechtliche Nutzbarkeit der Daten angeht. Die Daten dürfen nicht durch Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen, Wettbewerbs- oder Urheberrecht, ggf. auch gegen Arbeitsrecht, erlangt sein. Insoweit stellen sich zentrale Fragen der Haftung der Geschäftsleitung im Hinblick auf ausreichende Information und Entscheidungsvorbereitung sowie Compliance-Management. Auch die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates wird sich künftig auf den Einsatz von KI durch das Unternehmen erstrecken.
Fazit
Die Digitalisierung von Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitsleben ist bereits weit vorangeschritten. Die rechtliche Einordnung dieser neuen Technologien steht jedoch noch am Anfang. Auch für das Gesellschaftsrecht und insbesondere die Geschäftsleitung stellen sich Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Nutzung von künstlicher Intelligenz, die noch kaum als geklärt betrachtet werden können. Insbesondere aus Sicht der Unternehmensleitung macht es daher Sinn, die Entwicklung von Anfang an aufmerksam zu verfolgen, damit das Unternehmen den Anschluss an aktuelle technische Entwicklungen nicht verpasst und diese rechtskonform umsetzen kann.