In Zeiten einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung infolge der COVID-19-Pandemie haben Gewerbetreibende nach dem Urteil des BGH vom 12.01.2022 (Az. XII ZR 8/21) grundsätzlich einen Anspruch auf eine Mietminderung. Die Höhe der Minderung hängt allerdings vom Einzelfall ab .
Sachverhalt
Nach Anordnung der Schließung aller Geschäfte im März 2020 zahlte die Beklagte, ein Textileinzelhändler, im April keine Miete für das von der Klägerin angemietete Ladenlokal. Die Vermieterin, eine Grundstücksverwaltung, klagte deshalb auf Zahlung. Das Landgericht verurteilte den beklagten Einzelhändler auf Zahlung der vollen Miete, das OLG reduzierte die Summe nach Berufung des Beklagten auf die Hälfte. Beide Parteien legten gegen das Urteil des OLG Revision ein.
Entscheidung
Der Anspruch der Mieterin auf eine Anpassung der Miete leitet sich nach Ansicht des OLG aus einer Störung der Geschäftsgrundlage als Folge der Geschäftsschließung ab, die als hoheitliche Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgte. Insoweit bestätigt der BGH die Entscheidung des OLG. Allein die Störung der Geschäftsgrundlage berechtige jedoch nach seiner Ansicht nicht zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr müsse angesichts der gesetzlichen und vertraglichen Risikoverteilung für eine oder beide Parteien zusätzlich das unveränderte Festhalten am Vertrag unzumutbar werden. Da weder der Mieter noch der Vermieter eine derartige Störung hätte vorhersehen können, könnten die Folgen der Maßnahme nicht einer Partei allein zugemutet werden.
Das bedeute aber im Ergebnis nicht, dass dem gewerblichen Mieter pauschal ein Anspruch auf Anpassung des Mietzinses für den Schließungszeitraum zustehe. Ob und in welcher Höhe ein Abschlag zulässig sei, müsse nach Ansicht des BGH anhand einer umfassenden und auf den Einzelfall bezogenen Abwägung ermittelt werden. Zu berücksichtigen seien deshalb die tatsächlichen wirtschaftlichen Auswirkungen der behördlichen Maßnahmen für den Mieter und ob diese so schwerwiegend sind, dass er deshalb die Miete reduzieren dürfe. Hierbei seien z.B. auch staatliche Hilfen für den Mieter zum Ausgleich pandemiebedingter Nachteile oder auch Leistungen einer einstandspflichtigen Versicherung zu berücksichtigen.
Der BGH verwies die Sache zur Klärung der Einzelfragen an das OLG zurück.
Fazit
Mit der Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass Einzelhändler und Gastronomen eine Anpassung des Mietzinses als Folge pandemiebedingter Schließungen grundsätzlich verlangen können. Damit tragen zugleich die Eigentümer einen Teil des Risikos des Lockdowns. Die Höhe des Abschlages hängt allerdings vom jeweiligen Einzelfall ab, weshalb die Instanzgerichte sicherlich noch einige Entscheidungen dazu fällen werden. In den Feinheiten steckt folglich noch viel Streitpotential, denn im Sinne der Einzelfallgerechtigkeit sind eben auch staatliche Hilfen etc. in die Berechnung des Abschlages einzubeziehen. Auch die Frage, ob eine Eingrenzung von wirtschaftlichen Verlusten beispielweise durch Onlineverkauf oder Abhol- und Lieferservice hätte erreicht werden können, macht die Abwägung für die Gerichte nicht unkomplizierter. Im Grundsatz hat der BGH also für Klarheit gesorgt, im Detail ist aber noch einiges offen.
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im ImmobilienReport Metropolregion Rhein-Neckar, Ausgabe 152.