Kündigungsschutz für Schwangere bei Versäumen der Klagefrist

Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen den besonderen Kündigungsschutz des § 17 MuSchG, d.h. ihr Arbeitsverhältnis darf grundsätzlich nicht gekündigt werden. Nur im Ausnahmefall kann die Kündigung auf Antrag des Arbeitgebers von der zuständigen Behörde für zulässig erklärt werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Kündigung nicht mit der Schwangerschaft in Verbindung steht. Die Kündigung einer schwangeren Mitarbeiterin kann dennoch später als wirksam gelten. Denn die Schwangere muss grundsätzlich innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage erheben (§ 4 KSchG). Nach Ablauf dieser Frist gilt die Kündigung als von Anfang an wirksam (§ 7 KSchG). 

Die dreiwöchige Klagefrist kann jedoch bereits verstrichen sein, wenn eine Arbeitnehmerin erst nach Zugang der Kündigung von ihrer Schwangerschaft erfährt. Ihr verbleiben dann lediglich zwei Wochen für einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung gemäß § 5 KSchG.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich nun mit der Frage befasst, ob diese zweiwöchige Frist mit europäischem Recht vereinbar ist:

Entscheidung des EuGH

Die schwangere Arbeitnehmerin eines Pflegeheims klagte vor dem Arbeitsgericht Mainz gegen ihre Kündigung. Sie hatte die dreiwöchige Frist des § 4 KSchG verpasst, weil sie erst nach Fristablauf von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte. Die Arbeitnehmerin hatte es zudem versäumt, innerhalb der weiteren Frist von zwei Wochen ab Kenntnis ihrer Schwangerschaft einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage zu stellen. Das Arbeitsgericht Mainz befragte daher den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens, ob den deutschen Regelungen der §§ 4, 5 KSchG nicht Art. 10 und 12 der Richtlinie 92/85/EWG (sog. „Mutterschutz-Richtlinie“) entgegenstehen. Hiernach müssen die Mitgliedstaaten für Schwangere einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz sicherstellen.

Der EuGH stellte in seiner Entscheidung vom 27. Juni 2024 (C-284/23) zunächst fest, dass eine schwangere Arbeitnehmerin, die zum Zeitpunkt ihrer Kündigung bereits Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, nach deutschem Recht drei Wochen Zeit für eine Klageerhebung habe. Eine Arbeitnehmerin, die aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund vor Verstreichen dieser Frist keine Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, verfüge hingegen nur über zwei Wochen. In Anbetracht der besonderen Situation, in der sich eine Frau zu Beginn ihrer Schwangerschaft befinde, könne diese kurze Frist der schwangeren Arbeitnehmerin einen wirksamen Rechtsschutz sehr erschweren. Denn sie müsse sich in dieser Zeit nicht nur sachgerecht beraten lassen, sondern gegebenenfalls auch einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage sowie die eigentliche Kündigungsschutzklage abfassen und einreichen. Die zweiwöchige Frist des § 5 KSchG scheine daher – insbesondere verglichen mit der ordentlichen Frist von drei Wochen – nicht mit Art. 10 und 12 der Richtlinie 92/85/EWG vereinbar.

Die Entscheidung des ArbG Mainz, das die Entscheidung des EuGH nun im konkreten Einzelfall umsetzten muss, bleibt abzuwarten.

Fazit

Für die Arbeitgeberseite hat die Entscheidung des EuGH lediglich mittelbare Auswirkungen. Denn sie betrifft nicht die Frage, ob die Kündigung einer schwangeren Mitarbeiterin ausnahmsweise zulässig ist. In Frage steht vielmehr ausschließlich, wie lange die Arbeitnehmerin die Unwirksamkeit der Kündigung noch geltend machen kann. Ohnehin tritt bei der Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin teilweise erst spät Rechtssicherheit ein. Denn die Frist zur nachträglichen Klageerhebung stellt auf die Erlangung der Kenntnis der Arbeitnehmerin von ihrer bei Zugang der Kündigung bestehenden Schwangerschaft (sog. „Behebung des Hindernisses“) ab. Diese Kenntniserlangung kann mitunter noch mehrere Wochen/Monate nach Zugang der Kündigung eintreten.