Sachverhalt:
Die Auftragnehmerin macht bei einem VOB/B Bauvertrag einen Mehrvergütungsanspruch geltend. Der Bau hatte sich durch Behinderungen in der Ausführung von Anfang 2019 auf Ende 2021 verzögert. Die Auftragnehmerin machte geltend, dass die Mehrkosten für Personal, Baucontainer und gestiegene Tariflöhne vom Auftraggeber ersetzt werden müssten. Sie argumentierte, dass der Auftraggeber durch das Übermitteln geänderter Bauablaufpläne indirekt eine Anordnung zur Bauzeitverlängerung erteilt und damit eine Preisänderung verursacht habe.
Entscheidung:
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19.09.2024, VII ZR 10/24) lehnte den Mehrvergütungsanspruch der Auftragnehmerin basierend auf drei Kernpunkten ab.
Geänderte Bauablaufpläne sind keine Anordnung
Der BGH stellt fest, dass die bloße Übermittlung neuer Bauablaufpläne keine für einen Mehrvergütungsanspruch erforderliche „Anordnung“ i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B darstellt. Eine Anordnung setze eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers voraus, mit der eine einseitige Änderung der vertraglichen Verpflichtungen des Auftragnehmers herbeigeführt werde. Die Übermittlung der Pläne diente laut BGH nur der Koordinationsaufgabe des Auftraggebers. Auch dann, wenn die Bauzeitverlängerung vollumfänglich durch den Auftraggeber verursacht wurde, liege keine Anordnung vor. Es sei also zu unterscheiden zwischen einer Koordinationsmaßnahme des Auftraggebers und einer Anordnung, die zu Mehrkostenansprüchen berechtigen könnte.
Kein Schadensersatzanspruch bei fehlender Pflichtverletzung
Der BGH entschied weiter, dass auch Schadensersatzansprüche nach § 6 Abs. 6 VOB/B ausschieden: der Auftraggeber sei im vorliegenden Fall auch nicht für eine Pflichtverletzung verantwortlich, da er zu einer rechtzeitigen Bereitstellung der Vorleistungen anderer Auftragnehmer nicht verpflichtet sei. Die Auftragnehmerin hätte für einen Schadensersatzanspruch beweisen müssen, dass sie durch eigene Pflichtverletzungen des Auftraggebers behindert wurde. Etwaige Pflichtverletzungen der Vorunternehmer seien dem Auftraggeber nicht zuzurechnen. Dabei müsse unter anderem zu den dadurch entstandenen Leistungsbehinderungen vorgetragen werden. Dazu sei regelmäßig eine bauablaufbezogene Darstellung hinsichtlich der Behinderung erforderlich. Hierbei reichten bloße Verweise auf die erstellten Bauablaufpläne und die sich hieraus ergebende Verlängerung der Gesamtbauzeit nicht aus.
Kein Entschädigungsanspruch ohne Beweis für Annahmeverzug
Auch ein Entschädigungsanspruch mach § 642 BGB wurde abgelehnt, da die Auftragnehmerin nicht beweisen könne, dass der Auftraggeber in Annahmeverzug geraten sei. Dieser liege vor, wenn die Auftragnehmerin nachweislich bereit und in der Lage gewesen wäre, die Bauarbeiten fristgerecht auszuführen, dies aber wegen Verzögerungen des Auftraggebers nicht möglich sei. Es hätte nachgewiesen werden müssen, dass der Auftragnehmer während des Verzuges Produktionsmittel und Personal bereithielt, ohne diese nutzen zu können.
Praxishinweis:
Das Urteil entspricht im Wesentlichen der ständigen Rechtsprechung des BGH zu § 6 Abs. 6 VOB/B und § 642 BGB. Darüber hinaus wird dem Auftragnehmer aber auch eine alternative Anspruchsgeltendmachung über § 2 Abs. 5 VOB/B erschwert: Die bloße Verlängerung der Bauzeit reicht nicht aus, um automatisch eine Mehrvergütung für den Auftragnehmer zu rechtfertigen. Der Anspruch ist nur dann gegeben, wenn der Auftraggeber ausdrücklich eine Anordnung zur Bauzeitverlängerung erteilt. Für Bauunternehmen bedeutet dies, dass sie vor der Geltendmachung von Mehrvergütungsansprüchen genau prüfen müssen, ob eine solche Anordnung vorliegt und sich nachweisen lässt. Mögliche Schadensersatzansprüche sind nur durchsetzbar, wenn eine eigene Pflichtverletzung des Auftraggebers konkret nachgewiesen werden kann. Für Auftraggeber bleibt es bei der bisherigen Strategie, möglichst Äußerungen zu vermeiden, die als „Anordnung“ i.S.d. VOB/B verstanden werden könnten.
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im ImmobilienReport Metropolregion Rhein-Neckar, Ausgabe 185.