Auftraggeber kündigt Pauschalvertrag – Auftragnehmer muss beweisen, dass er den gezahlten Werklohn behalten darf!

Sachverhalt

Auftraggeberin (hier im Rechtsstreit die Beklagte) und Auftragnehmer hatten einen Generalunternehmvertrag mit Pauschalpreisvereinbarung abgeschlossen.  Der Auftragnehmer erhielt eine Vorauszahlung über € 400.000.-. Eine Bank (im hiesigen Rechtsstreit die Klägerin) hatte eine Bürgschaft auf erstes Anfordern für den Fall der Rückgewähr der € 400.000.- übernommen. Während des Bauvorhabens wird der Auftragnehmer insolvent. Die Auftraggeberin kündigte den Vertrag, ließ die Bauarbeiten von Dritten zu Ende führen und verlangte von der Bürgin Zahlung der € 400.000, weil der Auftragnehmer überzahlt sei. Die Bürgin unterliegt in jenem Prozess, da „bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern materielle Einwendungen gegen die Hauptforderung nicht im Anforderungsprozess, sondern im Rückforderungsprozess zu prüfen“ sind. Daraufhin zahlt die Bürgin, leitet aber einen Rückforderungsprozess gegen die Auftraggeberin (und hiesige Beklagte) ein.

Die Bürgin (= Klägerin) verlangt von der Auftraggeberin (= Beklagte) die Rückzahlung eines Teilbetrages aus einer Vorauszahlungsbürgschaft. Die Beklagte behauptet hingegen, dass der insolvente Auftragnehmer überzahlt sei und legte ein entsprechendes Gutachten vor, in dem die Leistung des Auftragnehmers nach Marktpreisniveau bewertet wird. Das OLG gibt der Bürgin recht. Hiergegen legt die beklagte Auftraggeberin Revision ein.

Entscheidung

Mit Erfolg! Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt die Entscheidung des OLG auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Der BGH stellte klar, dass im Rückforderungsprozess die Darlegungs- und Beweislast der Parteien analog zu einem Streit zwischen Besteller und Unternehmer über eine Werklohnvorauszahlung zu behandeln sei.

Fordere der Besteller eine Werklohnvorauszahlung zurück, nachdem der Unternehmer Leistungen erbracht habe, müsse der Besteller nur schlüssig die Voraussetzungen eines Saldoüberschusses aus einer Schlussabrechnung vortragen. Ausreichend sei eine Abrechnung, aus der sich ergebe, in welcher Höhe der Besteller Voraus- und Abschlagszahlungen geleistet hat und dass diesen Zahlungen ein entsprechender endgültiger Vergütungsanspruch des Unternehmers nicht gegenüberstehe. Der Besteller könne sich auf den Vortrag beschränken, der bei zumutbarer Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Quellen seinem Kenntnisstand entspreche. Habe der Besteller nach diesen Grundsätzen ausreichend vorgetragen, müsse der Unternehmer darlegen und beweisen, dass er berechtigt ist, die Voraus- und Abschlagszahlungen endgültig zu behalten.

Welcher Vortrag vom Besteller im Fall der Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrags ohne Detailpreisverzeichnis unter zumutbarer Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Quellen verlangt werden könne, um eine Werklohnvorauszahlung zurückzufordern, richte sich nach den Gesamtumständen, insbesondere nach dem Inhalt des Vertrags und vorvertraglicher Absprachen.

Durch Vorlage des Gutachtens habe die Beklagte die erbrachten Leistungen von den nicht erbrachten Leistungen abgegrenzt. Nach ihrem weiteren Vortrag habe sie mit dem insolventen Auftragnehmer eine Pauschalvergütungsvereinbarung ohne Detailpreisverzeichnis geschlossen und auch ansonsten keine Kenntnis von der dieser Vereinbarung zugrundeliegenden Kalkulation. Auf dieser Grundlage könne von der Beklagten nicht verlangt werden, zu dem Vertragspreisniveau der zu bewertenden Einzelleistungen des Bauvertrages vorzutragen. Die Klägerin als Bürge sei darlegungs- und beweisbelastet.

Praxishinweis

Das Urteil bestätigt die ständige Rechtsprechung des BGH, dass im Fall einer Rückforderung von Werklohnvorauszahlungen bei einem gekündigten Vertrag der Unternehmer die Beweislast dafür trägt, dass er die erhaltenen Vorauszahlungen berechtigterweise behalten darf. Dies gilt entsprechend auch im Bürgschaftsfall.

Der Beitrag ist zuerst erschienen in Ausgabe 183 des ImmobilienReports Metropolregion Rhein-Neckar.