Filialbezogene Betrachtung für Beurteilung pandemiebedingter Mietminderung entscheidend!

Das Landgericht Bielefeld hatte sich mit einer Mietminderung infolge coronabedingter Geschäftsschließungen zu befassen. Insbesondere musste beurteilt werden, ob für etwaige Kompensationsmöglichkeiten von Umsatzverlusten ein nicht filialbezogener Umsatz aus dem Onlinegeschäft maßgeblich ist und die Pflicht zur Rücklagenbildung bzw. zu einem Versicherungsabschluss bestanden hat.

LG Bielefeld, Urteil vom 28.11.2023 – 17 O 21/22

BGB § 536

Problem/Sachverhalt

Die Klägerin agierte als Gewerberaumvermieterin und verklagte ihre Mieterin auf Zahlungen pandemiebedingter Mietkürzungen. In dem streitgegenständlichen Mietobjekt wurde ein Textileinzelhandelsgeschäft betrieben. Die Beklagte berief sich bei Darlegung ihres Mietminderungsanspruchs insbesondere darauf, dass Kompensationsmöglichkeiten zum Ausgleich pandemiebedingter Umsatzverluste nicht vorhanden waren. Der nicht von der streitgegenständlichen Filiale betriebene Onlineshop sei mangels Standortbezogenheit von vornherein unerheblich. Ebenso wenig bestand eine Pflicht auf Rücklagenbildung. Eine Möglichkeit auf Abschluss einer einschlägigen Betriebsschließungsversicherung sei auf dem Markt nicht existent gewesen.

Entscheidung

Die Klage wird teilweise abgewiesen! Insbesondere begründet das Gericht seine Entscheidung damit, dass gestiegene Umsätze aus dem Onlinehandel keine Kompensation für Verluste des streitgegenständlichen Ladenlokals darstellen können. Denn ebenso wie es bei der Bewertung der Umsatzeinbußen nur auf den jeweiligen Standort und nicht auf die Lage des Gesamtunternehmens ankomme, sei auch bei der Kompensation auf den Einzelstandort und nicht auf das Gesamtunternehmen abzustellen. Die Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB beinhalte – anders als das Schadensersatzrecht- keine Gegenüberstellung der tatsächlichen und der hypothetischen Vermögenslage eines Unternehmens. § 313 BGB bezwecke keinen allgemeinen Sozialausgleich, sondern eine Ergänzung vertraglicher Lücken. Diese haben sich nach dem hypothetischen Parteiwillen zu bemessen. Daher sind maßgeblich für die Vertragsanpassung allein die wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse des konkreten Ladenlokals. Weiter pflichtete das Gericht der Beklagten bei, dass eine Versicherung, die das spezifische Pandemierisiko hätte abdecken können, noch nicht auf den Versicherungsmarkt vorhanden war. Ebenso wenig bestand eine Obliegenheit vor Ausbruch der Pandemie für etwaige Krisenzeiten vorzusorgen und Rücklagen zu bilden.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt, dass den Mieter bei Berufen auf ein coronabedingtes Mietminderungsrecht erhebliche Nachweis- und Darlegungspflichten treffen. Jedoch wird anhand der Urteilsgründe ebenso deutlich, dass für den Vermieter eine gerichtliche Durchsetzung nicht gezahlter Mieten nicht ohne Risiko ist. Insbesondere lässt sich aus der Entscheidung ableiten, dass für etwaige Kompensationsmöglichkeiten lediglich auf das stationäre Ladengeschäft abzustellen ist. Wie in der Vergangenheit bereits von verschiedenen Lagern empfohlen, ist mietvertraglichen Parteien eine gütliche Einigung zu empfehlen, sollten Streitigkeiten im Zusammenhang mit pandemiebedingter Mietkürzungen noch nicht geklärt sein.

Der Beitrag ist zuerst erschienen in ibr-online.