Die Bundesregierung hat ihre Reisewarnung für die EU-Länder und einige weitere europäische Staaten zum 15. Juni 2020 aufgehoben. Für außereuropäische Länder gilt die Reisewarnung aktuell noch fort. Aufgrund neuer Entwicklungen kann es jederzeit auch kurzfristig zu Änderungen bei der Einstufung von Ländern als Risikogebiete und neuen Reisewarnungen kommen.
Arbeitgeber werden sich mit zunehmender Reisetätigkeit unweigerlich der Frage stellen müssen, wie mit Arbeitnehmern umzugehen ist, die aus Ländern, für die eine Reisewarnung gilt oder aus Risikogebieten zurückkehren.
Häusliche Quarantäne
Kehrt ein Arbeitnehmer aus einem Risikogebiet zurück, so hat er sich grundsätzlich zunächst in häusliche Quarantäne zu begeben.
Die genaue Umsetzung dieser Quarantäneverpflichtung ist Sache der Bundesländer, weshalb es hier im Einzelfall zu Abweichungen kommen kann. Aktuell sehen die entsprechenden Verordnungen der Länder Hessen und Baden-Württemberg eine Pflicht zur Absonderung in die eigene Häuslichkeit oder eine andere geeignete Unterkunft vor, wenn innerhalb von 14 Tagen vor der Rückkehr ein Aufenthalt in einem Risikogebiet stattgefunden hat. Bei der Festlegung, was als Risikogebiet zu werten ist, unterscheiden sich die Verordnungen in Einzelheiten. Im Ergebnis verweist die entsprechende Verordnung des Landes Hessen auf die Veröffentlichungen durch das Robert-Koch-Institut. Die Corona Verordnung Einreise-Quarantäne des Landes Baden-Württemberg verweist auf die Liste der Risikogebiete, wie sie vom Ministerium für Soziales und Integration veröffentlicht wird.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes nicht zwingend zu einer Quarantänepflicht führt. Entscheidend ist hier alleine die Einstufung als Risikogebiet.
Rechte und Pflichten des Arbeitgebers – Fürsorge, Home-Office, Fragerecht
Dem Arbeitgeber obliegt die Pflicht, angemessene Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit aller Arbeitnehmer zu ergreifen. Hieraus ergibt sich auch die Pflicht, die Einhaltung von Quarantänemaßnahmen umzusetzen. So ist der Arbeitgeber unter Umständen verpflichtet, Arbeitnehmern, die Quarantänepflichten unterliegen, den Zutritt zum Betrieb zu verwehren, obwohl diese gesund erscheinen.
Auch wenn sich eine einseitige Anordnung des Arbeitgebers zur verpflichtenden Tätigkeit im Home-Office ohne entsprechende vertragliche Grundlage regelmäßig als schwierig gestaltet, so sprechen gute Gründe dafür, dies für den Fall einer Rückkehr aus einem Risikogebiet anzunehmen. Eine solche Anordnung dürfte in Ausübung des Weisungsrechts im Rahmen des billigen Ermessens des Arbeitgebers liegen, da die Tätigkeit im Home-Office nur vorübergehend und die zuvor erwähnte Pflicht zum Schutz der Gesundheit der anderen Arbeitnehmer gewährleistet wäre.
Um seinen Fürsorge- und Schutzpflichten effektiv Rechnung tragen zu können, muss der Arbeitgeber die tatsächlichen Risiken einschätzen können. Demnach muss ihm ein entsprechendes Fragerecht zustehen. Der Arbeitnehmer ist wiederum zur Auskunft verpflichtet. Hierbei sind jedoch auch datenschutzrechtliche Regelungen zu beachten, weshalb der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, nähere private Informationen preiszugeben. Das Fragerecht bzw. die Auskunftspflicht hat sich somit auf das „Notwendige“ zu beschränken, wobei zur Beurteilung der Notwendigkeit der jeweilige Einzelfall maßgeblich ist. Derartig erhobene Informationen hat der Arbeitgeber vertraulich zu behandeln.
Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohnfortzahlung bei Quarantänepflicht nach Rückkehr aus einem Risikogebiet
Ist eine Tätigkeit im Home-Office tatsächlich nicht möglich oder weigert sich der Arbeitnehmer seine Tätigkeit im Home-Office auszuüben, so ist erstmal davon auszugehen, dass ihm aufgrund der aus den Regelungen der Länder folgenden Quarantänepflichten die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich ist. In diesem Fall greift zunächst der allgemeine Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“.
Ein Entgeltfortzahlungsanspruch könnte sich jedoch ergeben, wenn der Arbeitnehmer „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert“ ist, § 616 S.1 BGB.
Ob die Norm einerseits bei Quarantänepflichten in Zeiten von Corona grundsätzlich anwendbar ist und andererseits im Einzelfall dessen Voraussetzungen vorliegen, begegnet allerdings begründeten Zweifeln.
Bereits die Frage nach der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit begründet Zweifel an einem solchen Anspruch. Ob die aktuell angeordnete Quarantäne-Dauer von zwei Wochen noch nicht erheblich ist, ist in jedem Fall streitbar. Eine einheitliche Rechtsprechung liegt hierzu nicht vor. Als Richtgröße dürfte aber eine Dauer von wenigen Tagen bis hin zu einer Woche als nicht erheblich im Sinne der Norm angesehen werden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass bei Überschreitung des erheblichen Zeitraums ein Anspruch vollständig entfällt. Eine anteilige Entgeltfortzahlung ist mithin nicht vorgesehen.
Ein Anspruch dürfte regelmäßig an dem Verschulden des Arbeitnehmers scheitern. Reist ein Arbeitnehmer in ein Risikogebiet im Sinne der jeweiligen Landesverordnung, so ist ihm ein Verschulden vorzuwerfen, da er im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts „gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstoßen hat“ (BAG, Urt. v. 23.11.1971 – 1 AZR 388/70). Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber auf die gegenwärtige Rechtslage sowie die Risiken, die mit Reisen in Risikogebiete einhergehen, hinweist.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich Entgeltfortzahlungsansprüche im Rahmen von Sonderfällen, wie einer Leistungsverweigerung wegen notwendiger Kinderbetreuung oder einer behördlich angeordneten Quarantäne im Sinne des Infektionsschutzgesetzes, ergeben können. Auf eine Darstellung derartiger Fälle wird vor dem Hintergrund des Themas dieses Beitrags verzichtet.
Fazit
In der Praxis zweckmäßig erscheint es, den Arbeitnehmer vor Urlaubsantritt auf Risiken und Folgen im Zusammenhang mit Reisen in Risikogebiete hinzuweisen. Kehrt der Arbeitnehmer aus dem Urlaub zurück, ist es sinnvoll, nach einem Aufenthalt in einem Risikogebiet im Sinne der anzuwendenden Landesverordnung zu fragen.
Für eine angeordnete Quarantäne-Dauer von zwei Wochen ist es mit guten Argumenten vertretbar, dass der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechts eine Tätigkeit im Home-Office anordnet.
Im Zusammenhang mit dem Coronavirus sind zahlreiche Konstellationen denkbar, in denen Arbeitnehmer nicht im Betrieb arbeiten können und bei denen sich die Frage stellt, inwiefern der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist. Arbeitgeber sind aber insbesondere in Hinblick auf die Lohnfortzahlung bei Nicht-Erbringung der Arbeitsleistung aufgrund Quarantänepflichten aus den Regelungen der Länder gut beraten, diese nicht ungeprüft zu gewähren.