Sanierung ganz ohne Insolvenz: Das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG

Der Regierungsentwurf zum SanInsFoG vom 14. Oktober 2020 wurde bereits Mitte Oktober vom Kabinett verabschiedet. Wenn der Bundestag seine Zustimmung erteilt, soll das Gesetz bereits zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Die maßgebliche Neuerung besteht in der Möglichkeit, ein unabhängiges Sanierungsverfahren außerhalb der Insolvenz durchzuführen.

Der Gesetzesentwurf ist die deutsche Umsetzung der im März 2019 verabschiedeten Europäischen Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen (EU 2019/1023). Das Kernstück des geplanten Gesetzes ist das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz („StaRUG“). Daneben gehen mit dem Entwurf jedoch auch wichtige Neuerungen der Insolvenzordnung, des GmbH-Gesetzes und des Handelsgesetzbuches einher.

Sanierung ohne Insolvenz – Der Plan in Kürze

Mit dem neuen StaRUG soll Unternehmen eine schnelle und günstige Möglichkeit gegeben werden, sich selbst aus der Krise zu navigieren. Aufgrund der geplanten Nichtöffentlichkeit des Verfahrens muss der Schuldner nicht fürchten, sich mit der Anmeldung dem Stigma einer Insolvenz auszusetzen. Der Anwendungsbereich des neuen Gesetzes ist jedoch nur solchen Unternehmen eröffnet, die sich nicht bereits im Stadium der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung befinden, bei denen also nur eine drohende Zahlungsunfähigkeit besteht.

Der Geschäftsführer wird zum Zweck der Sanierung ermächtigt, einen Restrukturierungsplan vorzulegen. Innerhalb dieses Plans werden unterschiedliche Gläubigergruppen gebildet, für die jeweils bestimmte und auf diese Gläubigergruppen zugeschnittene Sanierungsmaßnahmen festgelegt werden. Der Restrukturierungsplan kann in die Tat umgesetzt werden, wenn eine Annahme durch die Gläubiger erfolgt ist. Das kann grundsätzlich auch gegen den Willen einzelner Gläubigergruppen geschehen.

Die Grundidee des Gesetzes besteht darin, dass der Schuldner das Verfahren eigenhändig und selbstständig verwalten soll. Aus diesem Grund ist auch eine Beteiligung des (Restrukturierungs-) Gerichts grundsätzlich nicht erforderlich.

Der Restrukturierungsplan

Bei der Aufstellung des Restrukturierungsplans steht dem Geschäftsführer eine große Gestaltungsfreiheit zu. Er kann zunächst selbst entscheiden, wie er die verschiedenen Gläubigergruppen zusammenstellt und welche Sanierungsmöglichkeiten er für welche Gruppe als sachdienlich erachtet. Bei der Einteilung ist jedoch darauf zu achten, dass eine Gleichbehandlung innerhalb der Gruppen erfolgt. Außerdem muss ein sachlicher Grund für die mangelnde Einbeziehung bestimmter Gläubiger vorliegen.

Innerhalb des eigentlichen Restrukturierungsplans kann der Geschäftsführer aus einem Baukastensystem die verschiedenen Maßnahmen auswählen. Dabei können beispielsweise Forderungen gekürzt bzw. gestundet, Sicherheiten an Schuldnervermögen reduziert, Verträge beendet oder vertragliche Bestimmungen geändert werden.

Sobald der Plan vom Geschäftsführer aufgestellt und an die Gläubiger übermittelt worden ist, haben diese mindestens 14 Tage Bedenkzeit. Nach Ablauf dieser Phase findet dann eine Abstimmung mit allen Gläubigern statt. Dabei ist das Stimmrecht abhängig vom Betrag der Forderung des jeweiligen Gläubigers (sogenannte „Restrukturierungsforderung“).

Der Restrukturierungsplan gilt grundsätzlich als angenommen, wenn in jeder Gläubigergruppe eine Drei-Viertel-Mehrheit erreicht werden konnte. Um ein Scheitern des Plans zu verhindern, wenn nur einzelne Gläubigergruppen sich nicht anschließen wollen, sieht § 28 StaRUG auch die Möglichkeit vor, einzelne Gläubigergruppen zu überstimmen bzw. die fehlende Zustimmung zu ersetzen. Dieses Vorgehen ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Mitglieder der Gruppe durch den aufgestellten Plan nicht schlechter gestellt werden als ohne ihn, eine wirtschaftlich angemessene Beteiligung erfolgt und insgesamt die Mehrheit der Gruppen dem Plan zugestimmt hat. Darüber hinaus ist zu beachten, dass in diesem Fall zwingend eine Bestätigung des Plans durch das Gericht einzuholen ist (Planbestätigung).

Im Rahmen der geplanten Sanierung kann das Gericht auf Antrag des Schuldners auch anordnen, dass den Gläubigern die Durchsetzung ihrer Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung untersagt wird. In dieser Zeit wird auch das Insolvenzantragsrecht für die Gläubiger ausgesetzt.

Der Restrukturierungsbeauftragte

Das Gesetz ist eindeutig auf die Eigenverantwortlichkeit des Schuldners ausgelegt. Aus diesem Grund soll auch die Einbeziehung eines gerichtlich oder fakultativ bestellten Restrukturierungsbeauftragten die Ausnahme darstellen.

Der in der Praxis wichtigste Fall einer zwingenden gerichtlichen Bestellung dürfte in der bereits angesprochenen (vorhersehbaren) Zustimmungsersetzung nach § 28 StaRUG liegen.

Fazit und Empfehlungen

Durch das neue Gesetz wird Unternehmen, bei denen eine drohende Zahlungsunfähigkeit besteht, die Möglichkeit gegeben, sich im Rahmen eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens selbstbestimmt mit den Gläubigern zu einigen. Mit der Einführung des Sanierungsverfahrens gehen jedoch auch verstärkte Anforderungen an die Geschäftsleitung einher, insbesondere die Implementierung eines Krisenwarnsystems. Darüber hinaus wird die Geschäftsleitung verpflichtet, bereits im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit die Interessen der Gläubiger vor denen der Gesellschaft zu beachten (sog. „Shift of Fiduciary Duties“) und dementsprechend zu handeln. Damit korrespondiert die Empfehlung für die Praxis, die getroffenen Entscheidungen umfassend zu begründen bzw. zu dokumentieren, um einer möglichen Haftung entgegenzuwirken. Denn bei Zuwiderhandlungen kann die Geschäftsleitung nicht nur von der Gesellschaft, sondern auch von den Gläubigern in Anspruch genommen werden, wenn das Restrukturierungsverfahren bereits rechtshängig gemacht wurde.

Parallel dazu entfällt jedoch die Haftung, wenn Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs stattfinden, auch wenn damit eine Überschuldung einhergeht. Insgesamt wird in der Insolvenzordnung eine einheitliche rechtsformunabhängige Haftungsnorm für Zahlungen nach der Insolvenzreife implementiert.

Im Falle einer Einbeziehung des Gerichts ist die neu geschaffene Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts zu beachten. Dabei handelt es sich um solche Amtsgerichte, in deren Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat. Die Kapazitäten sind damit deutlich geringer als bei den Insolvenzgerichten.