Mit Vorlagebeschluss vom 01.02.2024 (Az. 196/22 (A)) legt das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) – nicht zum ersten Mal – die Frage vor, ob eine Ungleichbehandlung von Beschäftigten beim Kirchenaustritt noch vom Europarecht gedeckt ist.
Hintergrund:
Die Klägerin war einige Jahre in der Schwangerschaftsberatung bei einem Verein der Caritas tätig, bevor sie in Elternzeit ging. Während dieser Zeit trat sie aus der katholischen Kirche aus, wobei sie als Grund hierfür die Erhebung eines besonderen Kirchengelds durch die Diözese Limburg angab. An ihren kirchlichen Werten habe sich trotz des Austritts nichts geändert. Auch ihre zuvor ausgeübte Beratungstätigkeit unterliege keiner bestimmten Religion und erfolge konfessionsneutral. Die Grundordnung des kirchlichen Dienstes – Bestandteil des Arbeitsvertrags – sieht nur vor, dass nichtkatholische und nichtchristliche Mitarbeiter im Sinne der Kirche tätig sind, ohne dass eine Pflicht zum Eintritt in die katholische Kirche besteht. Allerdings stellt nach der Grundordnung ein Austritt von katholischen Mitarbeitern aus der Kirche einen massiven Verstoß gegen ihre Loyalitätsobliegenheiten dar und rechtfertigt eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen.
Der Arbeitgeber versuchte die Klägerin vor der Rückkehr aus der Elternzeit für eine Weiterbeschäftigung zum Wiedereintritt zu bewegen. Als das erfolglos blieb, kündigte er außerordentlich, hilfsweise ordentlich das Arbeitsverhältnis. Im Zeitpunkt der Kündigung waren vier Beschäftigte der katholischen Kirche und zwei Beschäftigte der evangelischen Kirche zugehörig. Die gegen die Kündigung gerichtete Klage war erst- und zweitinstanzlich erfolgreich. Durch die Revision der Beklagten zum BAG kam es zum Vorlagebeschluss des BAG vom 01.02.2024 (Az. 2 AZR 196/22 (A)) an den EuGH zur Überprüfung der Vereinbarkeit mit europäischem Recht.
Rechtliche Problematik:
Während die Klägerin die Kündigung mangels geeignetem Kündigungsgrund als auch wegen eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot aus Religionsgründen für unwirksam hält, sieht der Beklagte die Kündigung wegen des Kirchenaustritts als Loyalitätsverstoß und der damit verbundenen Abwendung von der katholischen Kirche als gerechtfertigt an. Während die Parteien im bisherigen Verfahren auch darüber gestritten haben, ob der Austritt als rein private Entscheidung überhaupt ein nach außen gerichtetes Abwenden von der Kirche darstellen kann, geht es dem BAG in seinem Vorlagebeschluss in erster Linie um einen möglichen Verstoß gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie. Neben der Frage, ob die Kirche von ihren Mitarbeitern verlangen kann, dass sie nicht aus der Kirche austreten bzw. wieder eintreten, zeigt insbesondere der Halbsatz „…, wenn sie […] im Übrigen [von ihren Mitarbeitern] nicht verlangt, dieser Kirche anzugehören…“, dass das BAG eine Ungleichbehandlung zu nichtkatholischen Mitarbeitern erkennt und Zweifel an der Vereinbarkeit mit EU-Recht hat. Das wird auch daran deutlich, dass das BAG für den Fall der Vereinbarkeit um die Darlegung möglicher weiterer Rechtfertigungsgründe bittet.
Fazit:
Die Entscheidung des EuGH lässt sich selbstverständlich nicht vorhersehen. Dennoch erscheint es zweifelhaft, dass die Richter und Richterinnen in Luxemburg eine solche Ungleichbehandlung zulassen – vor allem, weil die Religionszugehörigkeit für die konkrete Tätigkeit keine wesentliche berufliche Anforderung darstellt. Gleichwohl bleibt die Entscheidung abzuwarten – wünschenswert ist aber, dass diesmal tatsächlich eine Entscheidung des EuGH ergeht, um für diese Problematik Rechtssicherheit zu schaffen.