Der Europäische Gerichtshof (EUGH) hat durch Urteil vom 28.02.2018 Rechtssicherheit bei der Verlängerung von Arbeitsverhältnissen über die gesetzliche Regelaltersgrenze hinaus herbeigeführt.
Arbeitsverträge sehen meist eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor. In den letzten Jahren kam sowohl in Arbeitnehmerkreisen als auch in Arbeitgeberkreisen vermehrt der Wunsch auf, die Beschäftigung nach Eintritt der gesetzlichen Regelaltersgrenze für eine begrenzte Zeit fortzuführen. Die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern über das gesetzliche Rentenalter hinaus weist jedoch erhebliche rechtliche Hürden auf. Zwar können die Arbeitsvertragsparteien etwa im Anschluss an die Zeit nach Eintritt der Regelaltersgrenze ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbaren. Für eine solche Befristung bedarf es aber eines sachlichen Grundes. Existiert kein sachlicher Grund für eine Befristung, hat dies grundsätzlich die Unwirksamkeit der Befristung zur Folge, womit das Arbeitsverhältnis als unbefristet abgeschlossen gilt, wenn dies der Arbeitnehmer rechtzeitig gerichtlich geltend macht. Spätere Kündigungen sind aufgrund des Alters des Arbeitsnehmers bzw. der langen Betriebszugehörigkeit regelmäßig erschwert. Sachliche Gründe für eine Befristung können beispielsweise die Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters oder die Fertigstellung laufender Projekte sein. Im Ergebnis verbleibt für den Arbeitgeber stets ein Restrisiko, ob ein Gericht diese Gründe anerkennt. Teilweise vereinbaren die Parteien auch eine Tätigkeit auf selbständiger Basis nach Erreichen der Regelaltersgrenze. Hier besteht jedoch je nach Ausgestaltung der Tätigkeit ein erhebliches Risiko für eine Scheinselbständigkeit.
Die vorstehende Problematik erkannte der Gesetzgeber und schaffte im Jahre 2014 Abhilfe durch die Einführung einer gesonderten Vorschrift zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze hinaus (§ 41 Satz 3 Sozialgesetzbuch VI). Nach dieser Vorschrift kann der Beendigungszeitpunkt eines Arbeitsverhältnisses durch Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien hinausgeschoben werden. Voraussetzung ist, dass eine arbeitsvertragliche Vereinbarung der Parteien bereits die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht und die Vereinbarung über die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze hinaus noch während des Arbeitsverhältnisses geschlossen wird. Eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses ist dann grundsätzlich mehrfach zulässig. Nach Einführung des § 41 Satz 3 Sozialgesetzbuch VI kamen aber vermehrt Stimmen auf, die diese Vorschrift wegen Altersdiskriminierung für europarechtswidrig hielten. Aus diesem Grunde wurde in der Praxis nur bedingt von ihr Gebrauch gemacht.
Die Vorschrift des § 41 Satz 3 Sozialgesetzbuch VI wurde erwartungsgemäß Gegenstand eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens. In einem bei dem Landesarbeitsgericht Bremen (Az: 3 Sa 78/16) anhängigen Rechtstreit hatte ein Arbeitnehmer noch während seines laufenden Arbeitsverhältnisses mit seinem Arbeitgeber auf Basis der vorgenannten Vorschrift eine Vereinbarung geschlossen, wonach sein Arbeitsverhältnis bis zu einem Zeitpunkt nach Eintritt des gesetzlichen Renteneintrittsalters „hinausgeschoben“ werden sollte. Nachdem der Arbeitgeber eine erneute Verlängerung des Arbeitsverhältnisses abgelehnt hatte, verklagte der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber und berief sich auf die Europarechtswidrigkeit des § 41 Satz 3 Sozialgesetzbuch VI. Der klagende Arbeitnehmer vertrat die Ansicht, dass sein Arbeitsverhältnis unbefristet weiter bestehe, da sich sein Arbeitgeber nicht auf § 41 Satz 3 Sozialgesetzbuch VI berufen könne. Das Landesarbeitsgericht Bremen rief daraufhin den EuGH an, welcher über die Europarechtskonformität dieser Vorschrift entscheiden sollte.
Der EUGH lehnte eine Europarechtswidrigkeit ab. Die Vorschrift bezwecke nach Ansicht des EuGH die Schaffung einer flexiblen Handlungsmöglichkeit, um das Arbeitsverhältnis zu den gleichen Bedingungen fortzuführen. Damit sei vorrangig den Parteiinteressen an einer Weiterführung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses Rechnung getragen. Es solle gerade kein neues befristetes Arbeitsverhältnis eingegangen werden. Eine Altersdiskriminierung lehnte der EuGH ab. Grund war auch, dass ein Arbeitnehmer, der Anspruch auf eine Altersrente habe, ungleich weniger schutzbedürftig sei als ein Mitarbeiter, der sein Arbeitsleben noch vor sich habe und gerade keine finanzielle Unterstützung sicher wisse. Beide Situationen seien nach Ansicht des EuGH nicht vergleichbar.
Für die Praxis bedeutet die Entscheidung des EuGH mehr Rechtssicherheit bei der Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern über die Regelaltersgrenze hinaus. Die meisten Arbeitsverträge sehen eine Beendigung mit Eintritt des gesetzlichen Rentenalters vor, weswegen diese Voraussetzung regelmäßig erfüllt sein wird. Zwingend müssen die Arbeitsvertragsparteien die Vereinbarung zu einer Weiterführung des Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze hinaus noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses treffen. Da die Arbeitsvertragsbedingungen nach Ansicht des EuGH wohl unverändert beibehalten werden müssen, sollten etwaige Änderungen der Arbeitsvertragsbedingungen rechtzeitig vorab vereinbart werden.