„Die in einer Stellenausschreibung enthaltene Anforderung „Deutsch als Muttersprache“ kann Personen wegen der ethnischen Herkunft in besonderer Weise benachteiligen im Sinne von § 3 Absatz 2 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz).“ Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 8 AZR 402/15) regt erneut zu hoher Sensibilität im Bereich Stellenausschreibungen an.
Sachverhalt:
Die Parteien stritten über eine Entschädigungszahlung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG durch die Beklagte.
Der Kläger ist in der Ukraine geboren, russischer Muttersprachler und studierte seit Oktober 2011 Psychologie und Wirtschaftswissenschaften. Die Beklagte, die das Magazin „Unternehmensjurist“ verlegt, beauftragte eine Studentenvermittlungsagentur mit der Suche nach zwei Aushilfen, die einen Redakteur unter anderem beim Verfassen eines Buches mit Recherchearbeiten, Schreibarbeiten und Führung von Kundentelefonaten unterstützen sollten. Die Studentenvermittlungsagentur hat daraufhin ein Stelleninserat auf ihrer Homepage veröffentlicht, das unter dem Punkt Anforderung „Deutsch als Muttersprache“ anführte. Der Kläger bewarb sich auf die Stellenausschreibung und gab unter anderem zu dem Punkt Sprache an: „Deutsch und Englisch fließend, Spanisch und Hebräisch Grundkenntnisse, Großes Latinum“. Die Studentenvermittlungsagentur traf eine Vorauswahl der Bewerber und leitete ihre Auswahl an die Beklagte weiter. Der Kläger wurde bei der Auswahl nicht berücksichtigt.
Die Beklagte besetzte die ausgeschriebenen Aushilfsstellen mit zwei der von der Studentenvermittlungsagentur weitergeleiteten Bewerber. Zusätzlich stellte die Beklagte eine in Afghanistan geborene Aushilfe ein, die sich auf anderem Wege bei der Beklagten beworben hatte.
Entscheidung:
Das BAG hat das von dem LAG in der Vorinstanz getroffene Urteil bestätigt. Der Kläger hat einen Anspruch auf Entschädigungszahlung gegen die Beklagte wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot aus dem AGG. Die Beklagte hat den Kläger aufgrund seiner ethnischen Herkunft unmittelbar diskriminiert. Die Formulierung in der Stellenausschreibung, es werde eine Person mit der Eigenschaft „Deutsch als Muttersprache“ gesucht, stellt eine Diskriminierung i. S. d. § 1 AGG und daher einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot i. S. d. § 7 AGG dar.
Eine unmittelbare Benachteiligung i. S. d. AGG liegt immer dann vor, wenn eine Person wegen eines in
§ 1 AGG genannten Grundes, u.a. wegen der ethnischen Herkunft, eine weniger günstigere Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Der Kläger habe eine unmittelbare Benachteiligung durch die Beklagte erfahren, indem sie zwei andere Mitbewerber einstellte, so das BAG. Zwar sei die Benachteiligung nicht unmittelbar von der Beklagten steuerbar gewesen. Die Vorauswahl sei von der Vermittlungsagentur getroffen worden. Die Beklagte habe sich allerdings die Handlungen der Vermittlungsagentur zurechnen zu lassen, weshalb eine Benachteiligung des Klägers durch die Beklagte erfolgt sei.
Auch sei die unmittelbare Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft des Klägers erfolgt, entschied das BAG. Die Vorinstanz habe zu Recht angenommen, dass die Formulierung in der Stellenausschreibung Personen wegen der ethnischen Herkunft benachteiligt hätte. Die Muttersprache einer Person ist mittelbar mit der Herkunft und damit auch mit dem in § 1 AGG genannten Grund „ethnische Herkunft“ verknüpft. Der Begriff der Muttersprache definiert zugleich den primären Spracherwerb und lässt damit einhergehend einen Rückschluss auf eine bestimmte Ethnie ziehen. Weiter erklärte das BAG in seinen Urteilsgründen, der Inhalt einer Stellenausschreibung richte sich nach seinem objektiven Inhalt. Wie der Inhalt zu bewerten sei, richte sich danach, wie er von einem verständigen und redlichen potenziellen Bewerber unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werde. Mit ausdrücklicher Nennung Deutsch „als“ Muttersprache wird dem Leser des Inserats vermittelt, dass ausschließlich Personen gesucht werden, die im deutschen Sprachraum aufgewachsen sind. Es konnte gerade nicht angenommen werden, dass es ausreicht, sehr gute Deutschkenntnisse zu besitzen.
Zu beachten sei auch, dass der Diskriminierte einen besonderen Schutz im Hinblick auf die Beweislast genieße. Wenn in einem Streitfall eine Partei Indizien beweise, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lasse, trage die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen habe, erklärt das BAG. Diesen Beweis konnte die Beklagte nicht führen.
Praxisempfehlung:
Soweit bei einer Stellenbesetzung die sprachlichen Qualifikationen den Schwerpunkt für die Auswahl der Bewerber bilden sollen, ist eine solche Anforderung mit Passagen wie „perfekte“ oder „sehr gute Deutsch-/Englisch-/Französischkenntnisse“ zu umschreiben. Darüber hinaus empfehlen wir, die Stellenausschreibungen vor der Veröffentlichung nochmals kritisch auf einen Verstoß gegen das AGG zu überprüfen. Denn auch wenn der Arbeitgeber eine Stellenvermittlungsagentur beauftragt hat, muss er sich -wie im vorliegenden Fall- deren Handlungen zurechnen lassen.